Christen in Pakistan: „Wir sind nirgendwo sicher“

Schwere Ausschreitungen: Radikale Muslime protestieren gegen den Freispruch der Christin Asia Bibi.
Schwere Ausschreitungen: Radikale Muslime protestieren gegen den Freispruch der Christin Asia Bibi.(c) APA/AFP/AAMIR QURESHI
  • Drucken

Eine von Blasphemie freigesprochene Christin wird zur Zielscheibe pakistanischer Islamisten, die zur Lynchjustiz aufrufen.

Islamabad/Wien. Neun Jahre lang saß die heute 51-jährige Asia Bibi in der Todeszelle in einem Gefängnis in der pakistanischen Hauptstadt, Islamabad. 2010 war die Christin wegen Blasphemie zum Tod verurteilt worden. Bei der Arbeit auf dem Feld habe sie den Propheten Mohammed beleidigt, sagten andere Frauen, die mit ihr gearbeitet hatten. Der Dorfprediger schaltete sich ein, die fünffache Mutter wurde wegen Gotteslästerung angeklagt und schließlich zum Tode verurteilt. Ein Urteil, das vergangene Woche vom Obersten Gerichtshof aufgehoben wurde. Drei Richter sprachen Asia Bibi von allen Vorwürfen frei.

Doch anstatt in Freiheit zu gelangen, muss die Frau nun erst recht um ihr Leben fürchten. Der Führer der radikalislamischen Gruppe Tehreek-e-Labaik Pakistan, ein islamistischer Prediger, hatte offen zum Lynchmord an der Christin aufgerufen. Ihr Anwalt, Saif-ul-Malook, ist nach Morddrohungen mittlerweile in die Niederlande geflohen. Bedroht wurden auch die drei Obersten Richter.

Asia Bibis Mann, Ashiq Masih, und ihre Töchter leben seit 2010 mit der ständigen Angst um ihr Leben. Er bittet die USA, Großbritannien und Kanada darum, seiner Frau und der Familie zur Ausreise aus Pakistan zu verhelfen und ihnen Asyl zu gewähren. „Wir sind nirgendwo sicher“, sagt ihr Mann in einem Interview mit der Deutschen Welle. Er und die Töchter wechselten aus Sicherheitsgründen ständig den Aufenthaltsort. Er habe zudem Sorge, dass seine Frau im Gefängnis angegriffen werden könnte.

Fragwürdiger Deal

Drei Tage in Folge kam es zu schweren Unruhen in mehreren Städten Pakistans, hauptsächlich aber in Islamabad. Schulen und Behörden blieben geschlossen. Es kam zu Straßenblockaden und zu Plünderungen. Die Lage eskalierte. In manchen Gebieten mussten Soldaten Regierungsgebäude vor Plünderern schützen. Die Polizei hatte während der Proteste auf eine Anweisung des Innenministeriums hin Hunderte Demonstranten wegen Gewalt und Vandalismus festgenommen. Lokalen Medienberichten zufolge wurden in der Provinz Punjab sogar mehr als 1100 Personen in Haft genommen.

Um die tobende Menge zu stoppen, hat die pakistanische Regierung spät am Freitagabend einen Deal mit den Islamisten ausgehandelt. Nur durch das Abkommen konnte „die Situation gewaltlos gelöst werden“, verteidigt Innenminister Fawad Chaudry den Pakt mit den Radikalen. Die ganze Regierung habe sich erpressen lassen, sagen pakistanische Menschenrechtler. Die Staatsführung stimmte einer gerichtlichen Überprüfung des Freispruchs zu. Außerdem darf Asia Bibi das Land nicht verlassen – sie dürfte sich nach wie vor im Gefängnis befinden. Den festgenommenen Demonstranten hat man Straffreiheit versprochen.

Blasphemie gilt im mehrheitlich islamischen Pakistan als Kapitalverbrechen. In der Praxis werden darunter verächtliche Äußerungen und Taten gegen den Islam, den Koran und den Propheten Mohammed verstanden. Asia Bibi war 2009 als erste katholische Frau wegen Blasphemie angeklagt worden. (zoe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.