Anhand von Satellitenfotos ist die Veränderung der Erde durch den Menschen klar dokumentiert. Ein neues Buch zeigt diesen ökologischen Fußabdruck in teils drastischen Bildern.
Die Perspektive ist ungewöhnlich und faszinierend: Satellitenbilder ermöglichen einen nicht alltäglichen Blick auf die Erde – auf die Schönheit, aber auch auf die Zerstörung des Planeten. „Auf unglaublich ästhetische und dennoch drastische Weise wird festgehalten, wie wir Menschen unsere natürliche Umwelt verändern“, sagt Gerald Mansberger, Mitherausgeber eines neuen Bildbands, der mehr als 100 Satellitenbilder vereint.
Das 264 Seiten starke Buch, erschienen im Salzburger Verlag eoVision, dokumentiert anhand ausgewählter Beispiele die „unglaublich raschen Veränderungen an vielen Orten unserer Erde“, so Mansberger. Die immer deutlicher sichtbar werdenden Auswirkungen des Bevölkerungswachstums und der maßlosen Nutzung von Ressourcen auf das Leben der Menschen, aber auch zahlreicher Tier- und Pflanzenarten wird in den aus dem All aufgenommenen Bildern erst so richtig deutlich gemacht.
Es geht um eine rasante Stadtentwicklung, den Aufbau und die Erweiterung von Gewerbe- und Industrieanlagen oder die Abholzung des Waldes zur Schaffung zusätzlicher landwirtschaftlicher Nutzflächen. Erst die Vogelperspektive und der Vergleich zweier Bilder aus den Jahren 2000 und 2018 zeigen, wie weit die Abholzung des Regenwalds bereits vorangeschritten ist. Im brasilianischen Bundesstaat Rondônia etwa ist die sattgrüne Fläche (aufgenommen vor 18 Jahren) einem hellen Wirrwarr aus Straßen und Häusern gewichen. Entlang von Aufschließungsstraßen dringen Siedler in den Regenwald in dieser Gegend im Amazonasbecken vor. Nirgendwo sonst wird so schnell der Wald abgeholzt.
Der Bildband "New Human Footprint - Unsere Welt im Umbruch" des Salzburger Verlags EO-Vision-Media zeigt auf 137 Satellitenaufnahmen Landschaften, die vom Menschen geformt wurden: von Städten über Bergbaugebiete bis zu einer Bohrinsel. Die eindrucksvollen Fotos gewähren Einblicke in menschliche Siedlungen auf allen Kontinenten. Die Aufnahmen stammen von Satelliten aus 600 Kilometern Höhe, die Produktion erfolgte in Kooperation mit Digital Globe und European Space Imaging. Ausgesucht wurden die Fotos von Markus Eisl und Gerald Mansberger, die damit zeigen wollen, sie sehr der Mensch mit seinem "Fußabdruck" Gegenwart und Zukunft auf der Erde bestimmt. European Space Imaging 2018 Auf der philippinischen Hauptinsel Luzon erstreckt sich Hagonoy am Nordrand der Bucht von Manila entlang eines Kanals. Dieser durchzieht die Küstenebene an der Bucht. Für die Einwohner, die zu einem großen Teil von der Fischerei leben, besteht damit ein ausgezeichneter Zugang zum Meer. Ein großer Teil der Fläche ist von Reisfeldern bedeckt. European Space Imaging 2018 Die gebirgige Region im Hadramaut liegt zwischen 2000 bis 2500 Metern Höhe. Die Gebirgsdecke wird von Sedimentlagen gebildet, die infolge der Erosion wie Höhenlinien erscheinen. Nur am Grund der Wadis ist Wasser zu finden, daher sind nur die Täler besiedelt. Die fruchtbarsten Bereiche im Talgrund werden für den Anbau von Sorghumhirse, Mais und Kath (aus dem ein Rauschmittel hergestellt wird) genutzt. European Space Imaging 2018 In der Oasenstadt am Rand der Wüste Lut leben etwa 1000 Einwohner auf einem Schwemmfächer, der von einem Fluss nach dem Durchbruch durch die begrenzende Bergkette zur Wüste geformt wurde. Hier ist unterirdisch fließendes Wasser verfügbar, sodass Landwirtschaft betrieben werden kann. Das Dorf liegt nur 80 Kilometer nördlich von Bam, das 2003 von einem verheerenden Erdbeben zerstört wurde. European Space Imaging 2018 Bei der südlich von Shanghai am Gelben Meer gelegenen Nanhui New City zeigt sich deutlich, wie stark der Aufschwung Chinas mit einer Umgestaltung der Landschaft verbunden ist. Nach Planung durch ein deutsches Architekturbüro wurde 2003 mit dem Bau der Stadt begonnen, die ursprünglich für 500.000 Einwohner geplant war. Teil des Projekts ist der Dishui-See, der mit 5,6 Quadratkilometern der größte künstliche Süßwassersee Chinas ist. Für einen Freizeitpark, für Sportaktivitäten und für Hotels wurden jeweils eigene Inseln im See gestaltet. European Space Imaging 2018 Die turkmenische Hauptstadt Ashgabat wurde 1881 gegründet und ist damit verhältnismäßig jung, auch wenn sie auf den Ruinen deutlich älterer Städte erbaut wurde. Nach der Zerstörung der Stadt durch ein Erdbeben im Jahr 1948 wurde sie wieder aufgebaut und nach dem Untergang der Sowjetunion 1991 zur Hauptstadt des unabhängigen Turkmenistan erklärt. Ashgabad liegt unweit der Grenze zum Iran am Karakum-Kanal, der Wasser vom Amudarja liefert. Das Bild zeigt ein junges Viertel im Norden der Stadt, die sich hier in die Steppe ausdehnt. European Space Imaging 2018 Die im Jahr 1893 eröffnete Goldmine bei Kalgoorlie ist eine der bekanntesten Minen Australiens und war bis 2016 auch der größte Tagebau des Kontinents, weshalb sie auch den Namen Super Pit trägt. Um eine jährliche Förderleistung von etwa 28 Tonnen oder 1,5 Kubikmeter Gold zu erzielen, müssen hier jedes Jahr 15 Millionen Tonnen Gestein aus dem Felsen gesprengt und aufbereitet werden. European Space Imaging 2018 Das im Jahr 2000 im nördlichen Teil des Kaspischen Meeres entdeckte Ölfeld Kaschagan wird seit 2013 ausgebeutet. Die förderbaren Rohölreserven werden auf bis zu 16 Milliarden Barrel geschätzt, wobei die Förderung aufgrund der örtlichen Bedingungen schwierig ist. Große Temperaturunterschiede zwischen minus 35 und plus 40 °C und Eisbildung im Winter gehören zu den technischen Herausforderungen. Zudem müssen die Laichgründe des Beluga-Störs in der Region berücksichtigt werden. Ein großer Teil des geförderten Öls wird über eine neue Pipeline nach China transportiert. European Space Imaging 2018 Große Teile der Oberfläche des Salzsees sind mittlerweile von den Verdunstungsbecken für die Gewinnung von Lithium bedeckt. Lithium ist eines der chemischen Elemente, auf denen die Pläne für die Zukunft der Energiewirtschaft beruhen. Als wichtiger Bestandteil leistungsfähiger Akkumulatoren spielt es vor allem auch für Elektroautos eine bedeutende Rolle. Die Sole unterhalb der Salzkruste des Salar de Atacama ist die weltweit größte und reinste Quelle für Lithium. European Space Imaging 2018 Die in 2850 Metern Höhe gelegene Chuquicamata-Mine war lange Zeit die größte Tagbau-Kupfermine und mit mehr als 1000 Metern Tiefe eine der tiefsten der Welt. Bisher wurden mehr als drei Milliarden Tonnen Kupfererz gefördert. Schon in prähistorischer Zeit wurden die Vorkommen ausgebeutet, wovon auch der Fund des mumifizierten "Kupfermanns" in einem vor fast 1500 Jahren eingestürzten Schacht zeugt. European Space Imaging 2018 Seit 1913 wird das Kupfererz industriell abgebaut. Als wichtiges Exportgut stellte Kupfer zeitweise bis zu 75 Prozent der chilenischen Exporte, heute ist es noch immer etwa ein Drittel. European Space Imaging 2018 Ein 15-jähriges Mädchen präsentierte im Jahr 2015 die Idee, mit einem Solarkraftwerk in Pandaform die chinesische Jugend für erneuerbare Energien zu interessieren. Zwei Jahre später wurde mit diesem Grundriss ein erstes Kraftwerk errichtet, das eine Spitzenleistung von 50 Megawatt liefert. In den nächsten Jahren sollen über China verteilt weitere 99 Solarkraftwerke in Pandaform gebaut werden. European Space Imaging 2018 Mit türkisfarbenem Wasser an weißen Sandstränden entspricht Bora Bora dem touristischen Inseltraum. Mit Tahiti gehört die Insel zu den französischen Gesellschaftsinseln. Um sie herum erstreckt sich ein Barriereriff, auf dessen flachen Inseln Hotel- und Bungalowanlagen errichtet wurden. European Space Imaging 2018 Besonders begehrt waren in jüngster Vergangenheit die als Pfahlbauten direkt im seichten Wasser der Lagune errichteten Hüttendörfer, in denen Naturnähe mit luxuriösem Urlaubserleben verbunden wird. European Space Imaging 2018 Doha, die Hauptstadt des absolutistisch regierten Emirates Katar, ist der Prototyp einer modernen arabischen Planstadt. Im Umkreis der bestehenden Stadt entstehen künstliche, zum Teil ins Meer gebaute Stadtteile der Superlative, wie "The Pearl" und der riesige Komplex des Flughafens. Sie stehen für eine Entwicklung, die in der "Qatar National Vision 2030" festgelegt wurde und die den Wüstenstaat zu einem der modernsten der Welt machen soll. Vor besondere städtebauliche Herausforderungen stellt die Errichtung der für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 benötigten Sportstadien. European Space Imaging 2018 Die Oase Liwa erstreckt sich in einem 100 Kilometer langen Bogen entlang der arabischen Wüste Rub' al-Khali. In der Oase, in der etwa 20.000 Menschen leben, werden vorwiegend Dattelpalmen kultiviert. Zwischen den Palmen stehen zudem Gewächshäuser. In den vergangenen Jahren wurde die Oase auch als Ausgangsbasis für Wüstentourismus entdeckt. European Space Imaging 2018 Die kleine Felseninsel Inis Oírr, im Englischen Inisheer, liegt als Teil der Aran Islands vor der Westküste Irlands im Atlantik. Während der Eiszeiten wurde der Kalkfelsen durch Gletscher abgeschliffen, zahlreiche vom Wasser ausgewaschene Spalten durchziehen die Karstlandschaft. Da Erde von diesem Untergrund sehr leicht fortgespült wird, haben die Bewohner über Jahrhunderte die gesamte Insel mit Steinmauern überzogen, die den Humus zurückhalten und damit Landwirtschaft zu ermöglichen. Heute wird die Wirtschaft auf der Insel allerdings immer mehr vom Tourismus dominiert. European Space Imaging 2018 Entlang der Küsten Chinas wurden in den vergangenen Jahrzehnten sowohl an Land als auch im Meer ausgedehnte Aquakulturflächen eingerichtet. Die flache Bucht von Dongshan eignet sich dafür hervorragend, weil die Anlagen gut erreichbar sind und der starke Tidenhub für einen effizienten Wasseraustausch mit dem Meer sorgt. Die Wasserqualität in der Bucht leidet jedoch unter Überdüngung durch ungeklärte Abwässer und verstärkten Sedimenteintrag durch den hier mündenden Zhangjiang. European Space Imaging 2018 Die Landschaft an der Mosel wurde aufgrund des milden Klimas und der besonders geeigneten Böden schon von den Römern für den Anbau von Wein genutzt. Mit mehr als 400 Hektar Anbaufläche ist Piesport die größte Weinbaugemeinde der Region. Der Anbau erfolgt vorwiegend an den Steilhängen um die Schleifen der Mosel, wobei im weiter flussabwärts gelegenen Bremm die mit fast 70 Prozent Steigung europaweit steilsten Weingärten liegen. Mit einem Anteil von etwa 60 Prozent ist Riesling die hauptsächlich angebaute Weinsorte der Region. European Space Imaging 2018 In Bolivien wurde in den 1980er-Jahren damit begonnen, große Teile der Provinz Santa Cruz auf beiden Seiten des Río Grande oder Guapai zu besiedeln und landwirtschaftlich zu nutzen. Die flache Ebene um den Fluss war bis in die 1960er-Jahre von unberührtem, tropischem Trockenwald bedeckt. Heute sind über die Fläche Siedlungen mit kleineren Feldern verstreut, dazwischen liegen ausgedehnte, rechteckige Sojafelder. Verbliebene Waldstreifen zwischen den Feldern dienen als Wind- und Erosionsschutz. European Space Imaging 2018 Der Holzeinschlag und die Gewinnung von Land für Äcker und Plantagen dezimieren den natürlichen Regenwald in der malaysischen Provinz Sarawak. Zu dieser Entwicklung tragen vor allem Palmölplantagen bei, für deren Produkt weltweit wachsende Nachfrage besteht. Der Verlust des Regenwalds ist mit einer wachsenden Bedrohung der Artenvielfalt verbunden. In diesem Zusammenhang ist vor allem die zunehmende Verdrängung der Orang-Utans bekannt geworden. Auch die indigene Bevölkerung Borneos wird so ihres Lebensraums beraubt. European Space Imaging 2018 Die Davis-Monthan Air Force Base ist durch die 309. Aerospace Maintenance and Regeneration Group bekannt. Sie zerlegt am weltweit größten Flugzeugfriedhof alte Militärflugzeuge und entnimmt noch brauchbare Bestandteile. European Space Imaging 2018 Dabei ist die hohe Trockenheit der Region von Vorteil, durch welche die abgestellten Flugzeuge kaum korrodieren und somit gut konserviert sind. >> Mehr zu den Fotos European Space Imaging 2018 Wie Menschen die Welt formen Konsequenzen menschlichen Handelns sind auch in einem auf den ersten Blick ansprechenden Muster aus hell- und dunkelbraunen Linien neben grünen Flächen zu erkennen: Das faszinierende Muster entsteht in der malaysischen Provinz Sarawak, weil der Regenwald der Errichtung von Palmölplantagen zum Opfer fällt. Der Lebensraum für einheimische Tiere – wie den gefährdeten Orang-Utan – schwindet zusehends. Erschreckend auch, wie viel Regenwald am Madre de Dios in Peru in nur zwei Jahren verschwunden ist, um Platz für illegale Goldminen zu machen. Was zurückbleibt, sind verwüstete Landstriche und giftige Flüsse, weil zur Gewinnung des Edelmetalls Quecksilber verwendet wird. Das alles ist „von oben“ deutlich zu sehen.
Sanfter Eingriff. Es gibt aber auch Gegenbeispiele: Auf einigen Bildern ist ein nachhaltiger Umgang mit der Umwelt aus der Vogelperspektive erkennbar, wie etwa die sanfte Forstwirtschaft in Kanada oder Gebiete in Vietnam oder Malaysia, wo Menschen im Einklang mit der Natur leben.
ERSCHIENEN „New Human Footprint: Unsere Welt im Umbruch“
Von Markus Eisl und Gerald Mansberger, entstanden in Kooperation mit European Space Imaging, erschienen bei eoVision, 256 Seiten, 49,95 Euro.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2018)
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