Frankreich: 89.000 Sicherheitskräfte gegen neue Krawalle

December 2 2018 Paris France Damage and graffiti after Saturday s Gilets Jaunes protests on Av
December 2 2018 Paris France Damage and graffiti after Saturday s Gilets Jaunes protests on Avimago/ZUMA Press
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Eine neue Eskalation der Gewalt wird am Wochenende befürchtet. Der Eiffelturm und mehrere Museen schließen wegen der "Gelbwesten"-Proteste.

Angesicht neuer Proteste der "Gelbwesten" wird Frankreich an diesem Samstag im ganzen Land rund 89.000 Sicherheitskräfte einsetzen. Davon entfielen 8.000 auf die Hauptstadt Paris, sagte Premierminister Edouard Philippe am Donnerstagabend dem TV-Sender TF1. Die Zahl ist deutlich höher als die 65.000, von denen zunächst die Rede gewesen war. "Das ist eine außergewöhnliche Mobilmachung", resümierte der Premier. Es solle in Paris auch etwa ein Dutzend gepanzerter Fahrzeuge der Gendarmerie eingesetzt werden. Die französische Regierung fürchtet am Wochenende eine neue Eskalation der Gewalt. Unterdessen breitet sich der Protest im Land auf weitere gesellschaftliche Gruppen aus.

Linksgerichtete Oppositionsparteien wollen ein Misstrauensvotum gegen die Regierung von Präsident Emmanuel Macron anstrengen. Die Sozialisten kündigten am Donnerstag einen gemeinsamen Antrag mit der Linkspartei La France Insoumise und den Kommunisten für die Sitzung der Nationalversammlung am Montag an. Dem Vorhaben werden wegen der absoluten Mehrheit der Regierung aber keinerlei Chancen eingeräumt.

Pariser Geschäfte und Museen schließen

Paris-Besucher müssen am Samstag mit massiven Einschränkungen rechnen: Rund zehn Museen sowie die Geschäfte auf dem bei Touristen beliebten Boulevard Champs-Elysees sollen geschlossen bleiben, wie die Polizei und die Einrichtungen am Donnerstag mitteilten. Die großen Opern sagten ihre Vorstellungen ab. Der Betreiber des Eiffelturms kündigte am Donnerstag an, den Turm am Samstag für Besucher zu schließen.

Die Polizeipräfektur wies die Einzelhändler auf den Champs-Elysees an, ihre Türen und Zugänge am Tag vor dem zweiten Advent zu versperren, wie aus einem Schreiben hervorgeht, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt. Vergangenes Wochenende war es auf dem Boulevard und rund um den Triumphbogen zu schweren Ausschreitungen bekommen. Dabei wurden mehr als 260 Menschen verletzt, es entstand ein Sachschaden in Millionenhöhe.

Am vergangenen Wochenende lieferten sich Demonstranten bei Protesten in Paris der "Gelben Westen" Straßenschlachten mit der Polizei. Autos gingen in Flammen auf, Geschäfte wurden geplündert. Die Polizei nahm über 400 Menschen fest - ein Niveau, das in den vergangenen Jahrzehnten nicht erreicht wurde. Es ist mittlerweile das vierte Wochenende in Folge, an dem mit großen Aktionen im Land protestiert wird. Die "Gelben Westen" demonstrieren seit Mitte November gegen geplante Steuererhöhungen auf Benzin und Diesel - mittlerweile ist der Protest aber viel allgemeinerer Natur und richtet sich gegen die Regierung und Präsident Emmanuel Macron.

Aufruf an Demonstranten

Premier Philippe erklärte, Innenminister Christophe Castaner rufe dazu auf, am Samstag nicht in Paris zu demonstrieren. Es sei nicht verboten, zu demonstrieren - allerdings würden so Demonstranten nicht in die Falle von Schlägern geraten.

Frankreichs Präsident Macron war den Demonstranten am Mittwochabend ein Stück weiter entgegengekommen und hatte angekündigt, die geplanten Steuererhöhungen für Benzin und Diesel für das Jahr 2019 außer Kraft zu setzen. An diesen Erhöhungen hatte sich der Protest der "Gelben Westen" entzündet.

Mit öffentlichen Auftritten hielt sich der Präsident nach seiner Rückkehr vom G-20-Gipfel in Argentinien aber zurück. Die Erklärungen für die Politik der Regierung lieferte stattdessen Premier Philippe vor der Nationalversammlung und dem Senat. Den Kurswechsel bei den Steuererhöhungen kündigte Umweltminister Francois de Rugy während einer Livesendung im Fernsehen an.

Proteste der Schüler

Seit Montag protestieren in ganz Frankreich auch Schüler und Studenten gegen Reformen im Bildungsbereich. Sie blockieren Bildungseinrichtungen. Auch hier ist die Lage angespannt. Bei Demonstrationen wurden am Donnerstag in der Nähe von Paris 146 Menschen festgenommen. Dabei handelte es sich vor allem um Schüler, die in der Nähe einer Schule in Mantes-la-Jolie protestiert hatten, wie die Polizei erklärte. Die Schüler hätten in dem Ort randaliert.

Wenn der Bildungsminister nicht bald eine starke Antwort gebe, werde es Todesfälle geben, sagte der Präsident der Nationalen Schülerunion, Louis Boyard, dem Sender BFMTV. Er fürchte bei den Protesten Gewalt - und rief gleichzeitig zur Ruhe auf.

Nach Angaben des Senders waren im Großraum Paris rund hundert Bildungseinrichtungen von den Aktionen betroffen. Einige Bereiche der Pariser Universität Sorbonne blieben am Donnerstag geschlossen, wie die Hochschule mitteilte. Medienberichten zufolge hatten zuvor mehrere Menschen versucht, Teile der Universität zu besetzen.

Zugang zu Triumphbogen gesperrt

Für kommende Woche haben die Landwirte Proteste angekündigt. Ein Grund für die Wut der Bauern sei "Agri-Bashing" - also pauschale Angriffe auf den Berufsstand der Bauern, hieß es von der Bauerngewerkschaft. Die Bauern fühlten sich "gedemütigt".

Unterdessen stellt sich die französische Hauptstadt auf weitere Krawalle ein. Rund um den Pariser Triumphbogen, wo es am vergangenen Wochenende vor allem zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen war, war Polizei im Einsatz. Die Zugänge zu dem weltberühmten Wahrzeichen waren gesperrt. Einzelne Läden auf der Prachtstraße Champs-Elysees wurden gesichert - ansonsten herrschte aber der übliche Besucherandrang auf dem Boulevard.

Mit Blick auf mögliche neue Ausschreitungen wurden auch mehrere Fußballspiele abgesagt. Dazu zählt die für Freitag geplante Partie zwischen AS Monaco und OGC Nizza. Das Spiel sei auf Ersuchen der Regierung des Fürstentums Monaco und der Präfektur des Departements Alpes-Maritimes abgesagt worden, teilte die Französische Fußball-Liga mit. Auch ein ursprünglich für Sonntag angesetztes Spiel zwischen AS Saint-Etienne und Olympique Marseille wurde verschoben.

Die Liga äußerte sich zunächst nicht weiter zu den Gründen. Nach Angaben der französischen Nachrichtenagentur AFP sollen die für die Spiele vorgesehenen Polizisten stattdessen bei den Demonstrationen der "Gelbwesten" eingesetzt werden. Wegen der Proteste waren auch das für Samstag geplante Topspiel zwischen Paris Saint-Germain (PSG) und dem HSC Montpellier sowie die Partie zwischen Toulouse und Lyon verschoben worden.

(APA/dpa/AFP)

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