China räumt fremde Regale leer

Chinesen hegen nach wie vor Misstrauen gegen Produkte, die es in chinesischen Supermärkten zu kaufen gibt.
Chinesen hegen nach wie vor Misstrauen gegen Produkte, die es in chinesischen Supermärkten zu kaufen gibt.(c) imago/PhotoAlto (Anne-Sophie Bost)
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Chinesische Einkäufer besorgen sich in Supermärkten massenhaft Milchpulver und andere Babyartikel, um sie nach China zu schicken. In Australien steigen Ärger und Preise.

Sydney/Adelaide. Tatort Adelaide: In der Metropole des Staats South Australia operiert seit Jahren offenkundig ein Netzwerk chinesischer Einkäufer, genannt Daigou. Sie sind Kleinunternehmer, die stellvertretend für andere Kunden einkaufen und ihnen die Ware zustellen. Daran scheint wenig bemerkenswert oder gar halbseiden. Nur: Die Daigou stellen die Waren nicht an Kunden in der Stadt selbst, im Bundesstaat oder sonst wo in Australien zu, sondern an solche im fernen China.

Und das natürlich zu erheblich höheren Preisen – und mit der Folge, dass manche Produkte zulasten der Menschen in Australien zur Mangelware wurden.

Besonders im Visier stehen Babymilchpulver und Babynahrung. Australienweit sollen täglich rund 30.000 Pakete davon nach China verschickt werden. Babymilchpulver ist aber nicht das einzige Produkt. Auch andere Kinderartikel, Vitaminpräparate und Medikamente sind beliebt. Doch Babymilchpulver steht eben ganz oben auf der Einkaufsliste der Daigou.

Grund: Chinesen hegen nach wie vor Misstrauen gegen Produkte, die es in chinesischen Supermärkten zu kaufen gibt, nachdem 2008 mindestens sechs Babys durch mit Melamin, eine Chemikalie zur Erzeugung von Kunst- und Klebstoffen, verseuchtes Babymilchpulver gestorben und 300.000 erkrankt waren. Australische Produkte gelten dagegen als hochwertig und „sauber“.

Die Abkehr von der Ein-Kind-Politik in China und deutlich weniger Interesse am Stillen halten die Nachfrage aus China ebenfalls auf einem konstant hohen Niveau.

Strategisch organisiert

In Australien führt der chinesische Durst auf fremde Babymilch jedoch zu immer mehr Problemen. So beobachtete der lokale Sender ABC über mehrere Tage hinweg, wie Daigou in einem Einkaufszentrum in Adelaide vorgingen. Sie kommunizierten per Mobiltelefon miteinander und positionierten in Supermärkten „Aufklärer“, um den Bestand an Milchpulver zu überwachen. Sobald Kisten davon neu ankamen, erschien auch ein Einkäufer und griff tüchtig zu.

Mittlerweile wurden allerdings die Abgabemengen von den Geschäften auf zwei Dosen pro Person reduziert. Der Grund dafür war, dass Chinesen zuvor oft ganze Regale auf einmal leer geräumt und andere das Nachsehen hatten. Doch die Einkäufer umgehen das nun, indem sie halt öfter zum Einkauf erscheinen und die Waren in Autos bunkern.

Streit im Supermarkt

Illegal ist das Treiben an sich nicht, allerdings kippt die Stimmung: Supermarktarbeiter klagen über aufdringliche und aggressive Daigou, die sich den Vorwurf, bereits mehrmals eingekauft zu haben, nicht gefallen lassen.

„Wir sind sehr beunruhigt darüber, dass junge und unerfahrene Mitarbeiter im Einzelhandel in eine Situation geraten, in der sie bestimmte Richtlinien durchsetzen müssen, obwohl sie keine Sicherheitskräfte sind“, sagt der Gewerkschaftsvertreter Josh Peak. Australische Eltern berichten von Problemen, Milchpulver zu finden.

Schätzungsweise etwa 400.000 solcher Einkäufer sollen in Australien (rund 25 Millionen Einwohner) operieren; vor zwei Jahren ging man von nur etwa 40.000 aus, also muss sich die Sache wohl trotz des langen Transportwegs lohnen. Die Daigou wiederum finden ihre Käufer vor allem über die chinesischen Social-Media-Plattformen WeChat und Taobao, quasi das eBay Chinas. Milchpulver, das normalerweise in Australien für etwa 30 Dollar (etwa 19 Euro) verkauft wird, kostet über diese Schiene meist mehr als 45, ja 100 Dollar.

Von der enormen Nachfrage aus China profitieren aber nicht nur die Daigou oder große Zwischenhändler wie Aumake. Auch die Milchpulverproduzenten des Kontinents vermelden wachsende Gewinne. Der Produzent der beliebten Babymilch a2 mit Hauptquartier in Sydney etwa meldete im November, dass die Gewinne in den vier Monaten bis Oktober um fast 65 Prozent in Relation zum Vergleichszeitraum 2017 angestiegen seien.

Freude bei Produzenten

Selbst ausländische Anbieter wollen inzwischen ein Stück des lukrativen Kuchens abhaben. So plant das französische Unternehmen Biostime Anfang 2019 den Markteintritt in Australien, um seine Säuglingsnahrung über Australien teurer an chinesische Käufer zu verkaufen. Das bekannte australische Model Miranda Kerr soll dabei als Werbegesicht für die französischen Produkte fungieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2019)

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