Spanien: Das Brunnendrama von Totalán

Der Vater des vermissten Buben.
Der Vater des vermissten Buben. (c) imago/CordonPress (FOTOS LORENZO CARNERO/CORDONPRES)
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Vor mehr als einer Woche stürzte ein zweijähriger Bub in der Nähe des südspanischen Dorfs Totalán in eine enge Brunnenröhre. Das ganze Land fiebert bei der Bergungsaktion mit.

Madrid. Es sind die Naturgewalten, welche die Rettungsarbeiten nahe dem südspanischen Dorf Totalán immer wieder bremsen: Mit ihrem schweren Bohrgerät, mit dem sie eine Rettungsröhre zur Bergung des zweijährigen Julen in die Tiefe treiben, mussten sich die Helfer in den vergangenen Tagen durch meterdicke Granit- und Schieferschichten kämpfen.

Am Dienstag oder Mittwoch hoffen sie, endlich dort anzukommen, wo der kleine Junge in etwa 70 bis 80 Metern Tiefe vermutet wird – seit mehr als einer Woche eingeklemmt und verschüttet in einer engen Brunnenröhre, die insgesamt nahezu 110 Meter tief ist. Ángel García Vidal, der technische Leiter der dramatischen Rettungsaktion, ist inzwischen mit seinen Zeitprognosen vorsichtig geworden. „Wir wissen nicht, was wir auf dem Weg nach unten finden.“ Immer neue technische und geologische Probleme hatten alle Hoffnungen zerstört, binnen weniger Stunden einen Rettungsschacht graben zu können.

Mit jedem Tag, der vergeht, sinken die Chancen, den Buben noch lebend zu bergen. „Julen, sei stark!“, steht auf einem großen Transparent, das in der Nähe des Unfallortes weht.

Nur 25 Zentimeter breit

Am Montag hatte eine tonnenschwere Tiefbohrmaschine mehr als 50 Meter der Rettungsröhre fertiggestellt, die parallel neben dem Brunnenschacht gebaut wurde und insgesamt 60 Meter in die Erde führen soll. Der Rettungstunnel hat einen Durchmesser von etwa 150 Zentimetern.

Die Öffnung ist breit genug, damit zwei Männer in einem Korb hinuntergelassen und sich die letzten Meter in Handarbeit zu dem vermuteten Unglücksort vorarbeiten können. Das Brunnenloch, durch das der kleine Julen abgestürzt sein soll, ist nur 25 Zentimeter breit – zu eng für die Retter. Unten in der Tiefe wird dann der schwierigste Abschnitt der Rettungsoperation starten. Ein Bergarbeiterteam muss von der Rettungsröhre, die etwa vier Meter neben dem Brunnenschacht liegt, einen Verbindungsstollen zum Brunnen bauen.

Winzige Haarreste gefunden

Mit Schaufel und Spitzhacke sollen sie einen horizontalen Gang graben, der in 70 bis 80 Metern Tiefe auf den Unglücksschacht treffen soll. Dafür werden sie, nach dem bisherigen Zeitplan, wenigstens einen weiteren Tag benötigen. „In der ganzen Welt gab es bisher noch nicht eine solche Rettungsaktion“, sagte der lokale Feuerwehrchef Julián Moreno. Bis in 71 Meter Tiefe konnte die Feuerwehr in dem Brunnen mit einer ferngesteuerten Kamera nach dem Buben suchen. Sie fand jedoch nur ein Bonbonsackerln. Und winzige Haarreste, die Julen zugeordnet werden.

300 Spezialisten im Einsatz

Die Kamerasicht bis zur Brunnensohle, die in etwa 110 Metern Tiefe liegt, wurde durch eine Erd- und Geröllschicht versperrt. Es wird vermutet, dass der Bub unter dieser Schicht verschüttet wurde. Doch wo genau, weiß niemand. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass Julen bis zur Brunnensohle in 110 Metern Tiefe gestürzt sein könnte.

Der kleine Julen war, nach Aussage seines Vaters, am 13. Jänner beim Spielen in das nicht abgesicherte Brunnenloch gefallen. Der Unfall ereignete sich in der Nähe des Ortes Totalán, rund 20 Kilometer nordöstlich der Costa-del-Sol-Stadt Málaga.

Der Brunnen befindet sich auf einem Landgrundstück, das einem Onkel Julens gehört. Dort hat sich die Familie zum Paella-Essen getroffen. Seit dem Unglück arbeiten mehr als 300 Spezialisten rund um die Uhr an der Bergung des Jungen, von dem es seitdem kein Lebenszeichen mehr gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2019)

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