Widerstand gegen „E-Tretroller-Anarchie“

Man kommt damit zügig voran, aber wird nicht immer gern gesehen.
Man kommt damit zügig voran, aber wird nicht immer gern gesehen. (c) REUTERS (Daniel Becerril)
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In vielen Städten sind die kleinen E-Scooter zur Plage geworden, vor allem, seit sie zu Tausenden verliehen werden. Mittlerweile gibt es Regulierungsmaßnahmen.

Paris/Berlin/Stockholm/Wien. Sie erschienen Mitte der 2010er-Jahre im Straßenbild, fanden vor allem in Städten Europas und Amerikas schnell Anklang, sind aber mittlerweile für viele eine Plage, eine gefährliche noch dazu: Jene elektrischen Tretroller, die man auch als E-Scooter kennt – wobei dieser Begriff verwirrend ist, weil er auch große, Vespa-artige Elektroroller mit einschließt.

Die Reichweite der kleinen Roller beträgt ein Dutzend bis 30 Kilometer, bei Topmodellen bis 50. Vor allem Fußgänger, aber auch Auto- und Radfahrer klagen über „Scooteranten“, die lautlos mit bis zu 25 km/h und teils schneller daherkommen, auf Gehsteigen, Radwegen, Straßen. Man tut sich grundsätzlich schwer, das dynamische Verhalten von Menschen vorherzusehen, die aufgrund der Kleinheit des Fahrgeräts wie starr dastehende Personen wirken, die sich dennoch ungewöhnlich schnell fortbewegen.

Die Dinger werden rasch kaputt

Das Problem multiplizierten Firmen, die E-Scooter in Städten verleihen, wobei Auffinden und Bezahlen per Handy-App funktioniert. Erwartungsgemäß wird mit diesen Rollern, die speziell Touristen mögen, nicht sanft umgegangen. In Paris, wo es mehr als 15.000 davon gibt und viele achtlos abgestellt, ja sogar in die Seine geworfen werden, nimmt man die Branche nun an die Kandare. Die Stadt unterschrieb jüngst einen Verhaltenskodex mit den Firmen wie Lime und Bird, um zunächst das wilde Abstellen zu stoppen, und will 2500 markierte Plätze bereitstellen. Zudem sollen die Anbieter die meist billig in Asien gebauten, mäßig haltbaren Roller recyceln; laut einer US-Studie, die von Daten aus Schweden bestätigt wird, sind Leihscooter nach rund einem Monat kaputt.

Im April verbat Paris das Befahren von Gehwegen, es drohen 135 Euro Buße. Ab Herbst sollen E-Tretroller, die schneller als 25 km/h fahren, in Frankreich verboten und eine Helmpflicht eingeführt werden.

Aus Stockholm, wo es etwa 2000 Leihscooter gibt – Tendenz stark steigend –, werden trotz oft bedenklicher Szenen bisher keine schweren Unfälle berichtet. Schweden verhalten sich traditionell sehr „sanft“ im Verkehr. Aber Kritik gibt es ebenfalls am Parken der Geräte, die oft kreuz und quer auf dem Gehsteig stehen oder liegen. Man plant Gegenmaßnahmen.

In den USA wurden seit Ende 2017 nach Unfällen mit E-Scootern mehr als 1500 Menschen behandelt. Ärzte berichten von Prellungen, Armfrakturen, Kopfverletzungen und einigen tödlichen Unfällen. Es sei aber unklar, ob E-Scooter statistisch unfallträchtiger sind als etwa Fahrräder.

In Deutschland erst jetzt erlaubt

Laut einer Studie in Texas an rund 200 Unfällen hatte ein sattes Drittel der Fahrer ein solches Gerät zum ersten Mal benutzt. Kleine Schlaglöcher, Kanten und Schwellen, die für Fahrräder kein Problem sind, sind für tief liegende Roller leicht eine Falle. In Peru wurden sie nach einem schweren Unfall auf Gehsteigen und in Fußgängerzonen sogar verboten.

Die rechtliche Einordnung ist indes uneinheitlich. In Österreich, wo es allein in Wien mehr als 6000 Leihscooter gibt, gelten Roller bis 25 km/h Bauartgeschwindigkeit als Fahrräder. Folglich gilt etwa Fahrverbot auf Gehflächen (außer die Behörde gibt den Weg dafür frei); ein Alkolimit von 0,8 Promille; Helmpflicht bis zwölf Jahre. Roller ab 25 km/h sind Kraftfahrzeuge. In Deutschland waren sie auf öffentlichen Flächen bisher sogar unzulässig. Erst am Freitag beschloss der Bundesrat eine Gesetzesvorlage der Regierung: Diese verfügt eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von nur 20 km/h, eine Beschränkung auf Verkehrsflächen, was Gehwege ausschließt, ein Mindestalter von 14, eine 0,5-Promillegrenze sowie eine Versicherungspflicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2019)

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