Auch Taucher der österreichischen Cobra-Einheit helfen bei der Suche nach Opfern des Budapester Schiffsunglücks. Der Rettungseinsatz bei reißender Strömung ist lebensgefährlich.
Budapest. Den Kampf gegen die Zeit haben die Rettungskräfte höchstwahrscheinlich verloren: Die Chance, dass die 21 vermissten Opfer der Budapester Schiffskatastrophe noch leben, ist gering. Rettungskräften war es bis Freitagmittag nicht gelungen, in das Wrack des gesunkenen Stadtrundfahrtboots Hableány vorzudringen. Nur durch Sonaraufnahmen konnte der Schiffsrumpf unter der Margaretenbrücke nahe dem Parlament geortet werden.
Das 40 Tonnen schwere Ausflugsboot, mit einer Kapazität für 60 Passagiere, war Mittwochabend vom 1000 Tonnen schweren, viel schneller fahrenden Hotelschiff Viking Sigyn von hinten gerammt und buchstäblich untergepflügt worden. Die Hableány sank binnen sieben Sekunden – nur sieben der 35 Menschen an Bord konnten gerettet werden, sie waren alle Touristen aus Südkorea.
Vermisst werden 19 weitere Südkoreaner und zwei ungarische Besatzungsmitglieder. Der 64-jährige, offenbar sehr erfahrene ukrainische Kapitän des Hotelschiffs ist in Polizeigewahrsam und wird verhört. Es besteht der Verdacht, dass er den Unfall verursachte. Er beteuert, keine Regeln verletzt zu haben. Unklar ist, ob es technische Fehler bei der Viking gab, ob die Schiffe per Radio kommunizierten – und wieso sie so nahe aneinander gerieten.
Starke Strömung, keine Sicht
Auf Bitten der ungarischen Behörden sind nun auch zehn Rettungstaucher der österreichischen Cobra-Einheit im Einsatz. Aus Südkorea wurden weitere 13 Rettungsspezialisten entsandt. Die ungarischen Behörden setzen Marine- und Industrietaucher bei den Bergungsarbeiten ein. Vorerst ging es dabei nur darum, überhaupt zum Wrack vorzudringen.
Experten zufolge handelt es sich um eine lebensgefährliche Aufgabe: Zwischen den Pfeilern der Margaretenbrücke ist die Strömung besonders stark. Durch den gegenwärtig sehr hohen Wasserstand der Donau ist die Strömung heftig. Sie drückt die Taucher schon beim Absteigen ins Wasser mit Wucht gegen die Leiter, die sie in den Fluss führen soll. Die Taucher tragen spezielle Tauchanzüge mit externer Luftzufuhr. Sauerstoffflaschen werden zur Sicherheit mitgeführt. Die Sicht unter Wasser in der Donau beträgt selbst bei niedrigem Wasserstand höchstens 50 Zentimeter, bei den gegenwärtigen Strömungsverhältnissen aber fast null. Die Taucher müssen buchstäblich ihre Hände als Augen benutzen.
Wahrscheinlich befinden sich Leichen der Opfer im Wrack. Da aber einige der Passagiere zur Zeit des Unfalls draußen auf dem offenen Deck standen, ist es möglich, dass die Strömung ihre Körper weit flussabwärts getragen hat. Deswegen erstreckt sich das Suchgebiet der ungarischen Behörden auf den gesamten unteren Verlauf der Donau ab Budapest. Sogar die serbischen Dienste wurden um Hilfe gebeten, da es denkbar ist, dass Leichen bis nach Serbien gelangen.
Derweil geraten die international operierende Schweizer Kreuzfahrtgesellschaft Viking Cruises und ihre Verflechtungen mit der ungarischen Regierung ins Visier der Medien. Viking Cruises organisiert weltweit Kreuzfahrten, unter anderem auf großen Flüssen, etwa dem Nil, Rhein, Main oder eben der Donau. Flusskreuzfahrten sind ein dynamisch wachsender Wirtschaftszweig mit zweistelligen jährlichen Zuwachsraten. Die Firma ist Eigentümerin des Hotelschiffs, das nun den Unfall in Budapest verursacht haben soll.
In ungarischen Medien ist von hoher Personalfluktuation, niedrigen Löhnen, extrem viel Überstunden und Stress auch bei den Kapitänen die Rede, was potenziell auch die Sicherheit beeinträchtige.
Stau auf der Donau
Brisanter ist aber die Tatsache, dass sich Viking Cruises über eine Beteiligung an der regierungsnahen Ungarischen Tourismusagentur in den Budapester Stadtrundfahrtmarkt eingekauft hat. Das Geschäft boomt und lohnt sich für beide Seiten – aber um den Preis, dass neben den herkömmlichen Ausflugsbooten eben nun auch große Hotelschiffe auf dem Fluss Stadtrundfahrten anbieten. Dadurch nimmt der Verkehr auf der Donau zu, besonders abends. Und auch dies könnte indirekt ein Grund für den Unfall gewesen sein.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2019)