900 Kilometer bis Menorca: Die "Open Arms" will nicht nach Spanien fahren

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Die spanische Regierung bietet einen weiteren Hafen für die 107 Migranten an Bord an - doch der Kapitän lehnt erneut ab. Die Reise dauere zu lang und sei wetterbedingt gefährlich. Die NGO könnte aber auch rechtliche Konsequenzen in Spanien fürchten.

Es ist eine andauernde humanitäre Katastrophe. 107 Migranten sind noch an Bord des Schiffs „Open Arms“, das unweit der italienischen Insel Lampedusa darauf wartet, einen Hafen zu finden, der die Menschen aufnimmt. Die Verzweiflung wuchs dermaßen an, dass einige Migranten am Sonntag sogar von Bord sprangen, um schwimmend zu versuchen, die Insel zu erreichen.

Ein erstes Angebot aus Spanien, die „Open Arms“ in Algeciras bei Gibraltar anlegen zu lassen, lehnte die Crew ab. Der Hafen sei zu weit entfernt, die Reise dauere zu lange, die Not sei zu groß. Spanien besserte daraufhin nach und bot an, das Schiff in Mahon auf der balearischen Insel Menorca anlegen zu lassen. Immer noch mehr als 900 Kilometer vom derzeitigen Standort vor Lampedusa entfernt, aber deutlich näher als der erste angebotene Hafen. Doch die Hilfsorganisation „Pro Activa Open Arms“ lehnt erneut ab. "Unser Schiff befindet sich 800 Meter von der Küste Lampedusas entfernt und die EU-Staaten fordern von einer kleinen NGO wie uns, weitere drei Tage Reise mit schwieriger Wetterlage in Angriff zu unternehmen", kommentierte die Hilfsorganisation auf Twitter.

Stattdessen sollten die Menschen auf Lampedusa an Land gehen dürfen und per Flugzeug nach Spanien gebracht werden. Der Flug von Catania nach Madrid würde nicht mehr als 240 Euro pro Passagier kosten, sagte der Missionschef der "Open Arms", Riccardo Gatti, nach Medienangaben.

Spaniens Warnbrief als Hindernis?

Problematisch für die unter spanischer Flagge fahrende „Open Arms“ könnte auch ein Schreiben des für den Seeverkehr zuständigen spanischen Ministeriums für Entwicklung von Ende Juni sein. Darin wird dem Kapitän mit hohen Strafen gedroht, sollte das Schiff im zentralen Mittelmeerraum mehr tun, als die Lage zu beobachten. Das Schiff dürfe dort keine aktive Suche betreiben, erinnerte die Behörde damals den Kapitän. Andernfalls drohen Strafen von bis zu 900.000 Euro, der Kapitän könnte außerdem in Spanien seinen Berufstitel „Kapitän“ verlieren. Die aktuelle Einladung der spanischen Regierung, in Menorca anzulanden, beinhaltete aber keine Andeutung möglicher Konsequenzen für die NGO.

Der Anwalt der Hilfsorganisation, Jaime Rodrigo de Larrucea, veröffentlichte damals schriftlich eine Stellungnahme als Reaktion auf den behördlichen Brief, dass dem Kapitän die Lage „voll und ganz bewusst sei“. Jegliche Schiffsbewegungen der „Open Arms“ würden den Schiffsunterlagen und dem darin festgelegten Zweck unterliegen. Die Aufnahme von Menschen in Seenot ist auch im Brief des Ministeriums - im Rahmen der international geltenden Regelungen der Seefahrt - explizit erwähnt. Die „Open Arms“ dürfe nur nicht zum Zwecke der Bootssuche in den Mittelmeerraum fahren.

Minderjährige wurden nach Lampedusa gebracht

Italien hatte am Samstag lediglich die Landung von 27 minderjährigen Migranten erlaubt. Die anderen Migranten mussten an Bord bleiben. Die Regierung in Madrid kritisierte den italienischen Innenminister Matteo Salvini wegen dessen unerbittlicher Haltung scharf und sprach in einer Mitteilung von einer "unfassbaren Reaktion" des rechten Politikers. Salvini entgegnete auf Twitter: "Wer hart bleibt, gewinnt."

Einer der prominentesten Unterstützer der „Open Arms“ ist Hollywoodstar Richard Gere, der vor kurzem das Schiff auf dem Mittelmeer besucht und zu Unterstützung der Seenotretter aufgerufen hatte. Er will nun Innenminister Salvini treffen. Der Chef der rechtspopulistischen Lega setze wie US-Präsident Donald Trump auf Angst und Hass, kritisierte Gere gegenüber der Tageszeitung "Corriere della Sera" (Montag).

Die italienische Küstenwache hat nahe Lampedusa unterdessen 16 Migranten auf einem Boot entdeckt und auf die Insel gebracht, berichtete die italienische Nachrichtenagentur ANSA am Montag. Am Sonntag hatten 57 Migranten mit einem Boot Lampedusa erreicht.

Die EU-Kommission richtete indes einen Appell an die EU-Mitgliedsstaaten und an die NGO, eine rasche Lösung zu finden. EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos bemühe sich auch darum, dass die 356 Migranten an Bord der "Ocean Viking" rasch an Land gehen können, so EU-Kommissionssprecherin Natasha Bertaud. Des sei eine "humanitäre Pflicht".

(APA)

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