Im Regierungsprogramm sind eigene Sprachklassen vorgesehen. Der Bildungsminister sieht das differenzierter. Die SPÖ ortet eine Abkehr von türkis-blauen Slogans. Zu Recht?
Wien. Im Wahlkampf wurde sie versprochen und im türkis-blauen Regierungsprogramm schlussendlich festgeschrieben: die Einführung sogenannter Deutschklassen. Kinder sollten erst dann in normale Schulklassen gehen dürfen, wenn sie gut genug Deutsch sprechen, davor sollten sie getrennt von den anderen unterrichtet werden, lautet das Vorhaben. Ob das nun wirklich so umgesetzt wird, wie ursprünglich propagiert, ist allerdings fraglich.
1 Warum gibt es nun Zweifel an der Umsetzung von Deutschklassen?
Das liegt an den Aussagen von Bildungsminister Heinz Faßmann. Der parteilose, aber von der ÖVP nominierte Minister hat sich in seinen Antrittsinterviews gegen eine „strikte Trennung“ ausgesprochen. Die „Deutschklassen“ sollen trotz ihres Namens keine eigenen Klassenverbände und schon gar nicht außerhalb der Schule angesiedelt sein. Vorstellbar sei, wie Faßmann etwa in der „Kleinen Zeitung“ kürzlich sagte, dass die Kinder „drei Stunden pro Tag in einem Kursprogramm unterrichtet“ werden und „in der restlichen Unterrichtszeit am normalen Klassenleben“ teilnehmen.
2 Weicht der Minister damit von der türkis-blauen Ursprungsidee ab?
Es scheint zumindest so. Ex-Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) ortete angesichts der Aussagen jedenfalls bereits „eine Abkehr von den Slogans, mit denen ÖVP und FPÖ auf Stimmenfang gegangen sind“. „Er hängt offenbar nicht so strikt an den Überschriften des Regierungsprogramms“, meinte auch Wiens Stadtschulratspräsident Heinrich Himmer (SPÖ) zuletzt in der „Presse“. Tatsächlich liest sich das Ganze im türkis-blauen Programm etwas anders.
3 Was steht zu den Deutschklassen im Regierungsprogramm?
Durch Deutschklassen soll „gesichert werden, dass jedes Kind vor dem Eintritt ins Regelschulwesen über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt“. Vor dem Wechsel in den Regelunterricht soll es dazu eine standardisierte Sprachstandserhebung geben. „Kinder, die keine ausreichenden Deutschkenntnisse aufweisen, sollen in separaten Klassen unterrichtet werden, bis ein ausreichendes Sprachniveau erreicht wird, um dem Regelunterricht zu folgen.“
4 Sieht der Bildungsminister selbst auch eine Abkehr vom Programm?
Nein. Faßmann selbst sieht keinen Widerspruch zwischen seinen Äußerungen und den türkis-blauen Ursprungsplänen. Es gelte das, was im Regierungsprogramm steht, sagte er am gestrigen Dienstag. Die Deutschklassen seien „keine triviale Angelegenheit“ und außerdem eine Kostenfrage. In seinem Ministerium werde deshalb gerade an einem Konzept gearbeitet. Das soll bald fertig sein.
5 Wie ist die Deutschförderung in den Schulen derzeit geregelt?
Wer noch nicht gut genug Deutsch kann, um dem Unterricht zu folgen, wird derzeit als außerordentlicher Schüler aufgenommen und bekommt extra Deutschförderung. Dafür gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, entweder durch Extra-Lehrer, die stundenweise integrativ in der Klasse sind, oder in sogenannten Sprachstartgruppen, für die Kinder zur Deutschförderung aus dem normalen Unterricht genommen werden. Und zwar für bis zu elf Stunden pro Woche.
6 Wie unterscheidet sich das von den Ideen, die im Raum stehen?
Die drei Deutschstunden pro Tag, von denen Bildungsminister Faßmann zuletzt sprach, ähneln den derzeitigen Sprachstartgruppen – mit einem leichten Plus an Stunden. Volksschüler beispielsweise würden dann den Großteil des Schultages in ihrer Deutschgruppe verbringen und könnten etwa mit ihrer Klasse gemeinsam zeichnen, turnen oder singen. Von integrativer Förderung war zuletzt aber jedenfalls keine Rede mehr.
Auf einen Blick
Für Kinder, die nicht gut genug Deutsch sprechen, hat die Regierung in ihrem Programm Neuerungen vorgesehen. Es ist die Rede von separaten Deutschklassen für Kinder, die nicht ausreichend Deutsch sprechen. Deutsch soll zudem ein Kriterium für die Schulreife werden: Wer sprachlich nicht fit ist, muss vor der ersten Klasse noch in die Vorschule.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2018)