Spielkinder, die gern erzählen

Die Produktion „Romulus der Große“ des dritten Schauspieljahrgangs der Kunstuniversität Graz hat beim Bundeswettbewerb deutschsprachiger Schauspielstudierender im Deutschen Theater Berlin die zweithöchste Auszeichnung erhalten.
Die Produktion „Romulus der Große“ des dritten Schauspieljahrgangs der Kunstuniversität Graz hat beim Bundeswettbewerb deutschsprachiger Schauspielstudierender im Deutschen Theater Berlin die zweithöchste Auszeichnung erhalten.(C) KUG/Johannes Gellner
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Von Reichenau über Salzburg bis Bregenz – das Kulturangebot im österreichischen Sommer ist riesig. Doch ohne fundiert ausgebildete Schauspieler hebt sich kein Vorhang.

Wer sich darstellerische Fähigkeiten auf akademischem Niveau aneignen will, hat in Österreich eine breite Auswahl. Eine der – auch international – ersten Adressen ist das Max-Reinhardt-Seminar der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, wo Schauspiel als Studienzweig im Diplomstudium Darstellende Kunst gelehrt wird. Und auch andere heimische Hochschulen bieten renommierte Schauspielausbildungen an. Gemeinsam ist den Studenten die Freude an der öffentlichen Darstellung. „Die meisten haben das Bedürfnis, Dinge zu erzählen, sich mitzuteilen. Einige sind ,Spielkinder‘ im besten Sinne und lieben es, in andere Rollen zu schlüpfen“, sagt Amelie Niermeyer, Leiterin des Studiengangs Schauspiel und Regie an der Universität Mozarteum in Salzburg, die rund 500 Schauspielstudierende betreut. Wer vorrangig im Kopf habe, berühmt zu werden, sei meistens nicht geeignet. Die jungen Studierenden seien heute, auch durch die Medien, sehr gut über das Berufsbild des Schauspielers informiert. Das bedeutet auch, sich klar darüber zu sein, dass man mit Phasen von Arbeitslosigkeit und prekären finanziellen Zeiten fertig werden muss. „Umso wichtiger ist es, sich nicht nur als Instrument eines Regisseurs zu sehen, sondern selbst Ideen zu entwickeln“, sagt Niermeyer.

Abseits der Bühne

Betätigungsfelder jenseits der Bühne sind Synchronsprechen, Hörspiele und -bücher, theaterpädagogische Aufgaben und Lesungen. „Die Möglichkeiten für Schauspielabsolventen sind in der heutigen Medienwelt vielfältig“, weiß der Rektor der Musik- und Kunst-Privatuniversität der Stadt Wien (MUK), Andreas Mailath-Pokorny: „An einem Tag wird eine Shakespeare-Tragödie gegeben, am nächsten sind sie in ein theaterpädagogisches Vermittlungsprojekt involviert, dann gibt es die Textfläche zu sprechen, die klassische Komödie zu spielen, den antiken oder modernen Sprechchor, den szenisch-musikalischen Liederabend und vieles mehr.“ Hinzu komme der Bereich Film als nicht mehr wegzudenkendes Berufsfeld, vor der Kamera oder in einer Sprechfunktion. „Alle diese Formate setzen ganz unterschiedliche Grundkenntnisse voraus und haben doch eines gemeinsam: die Beherrschung eines schauspielerischen Handwerks und dessen virtuose Verfügbarkeit“, sagt Mailath-Pokorny.

Alle Schauspielschulen orientieren sich mehr oder weniger am Markt. Das bedeutet, dass beispielsweise Performances ein großes Thema sind. Dazu braucht es neben Kreativität und Spiellust auch Selbstreflexion. Etwas weiter fasst Margareta Pesendorfer, Direktorin des Instituts Schauspiel an der Anton-Bruckner-Privatuniversität, diese Fähigkeit: „Die Reflexion zwischenmenschlicher, sozialer und gesellschaftlicher Vorgänge. Ein zu großer Fokus auf sich selbst kann zu Selbstdarstellung und Egozentrismus führen.“

Außergewöhnliches schauspielerisches Talent sei eine Grundvoraussetzung. „Schauspiel ist abwechslungsreich und bietet viel, verlangt den Ausübenden aber auch viel ab“, sagt Heiko Senst, Professor für dramaturgischen Unterricht an der Kunst-Uni Graz. Spätestens im Bewerbungsprozess würden die Kandidaten erfahren, „wie anspruchsvoll der Beruf ist, wie sehr man sich darauf einstellen muss und wie schmerzhaft die unvermeidliche Erfahrung der Ablehnung ist“.

Hohe Belastbarkeit

Deshalb sei es wichtig, ein hohes Energiepotenzial zu haben, ergänzt Pesendorfer. Ebenfalls essenziell sei „Freude an literarischen Texten und am Geschichtenerzählen, Teamfähigkeit sowie hohe körperliche und stimmliche Leistungsfähigkeit“. Was laut Senst zu beobachten sei, ist ein Trend zu mehr Diversität. Aspekte wie Hautfarbe, Migrationshintergrund und körperliche Besonderheiten seien bei Bewerbungen zunehmend von Bedeutung. An der Universität Mozarteum dauert der Studiengang Schauspiel vier Jahre. Im 1. Semester lernen Schauspiel- und Regiestudierende gemeinsam die Basis der darstellerischen Arbeit und Grundlagen der Improvisation. Danach vertiefen die Schauspielstudierenden die Grundlagen des Sprechens, des stimmlichen und körperlichen Ausdrucks und entwickeln ihre musikalischen, gesanglichen, tänzerischen und akrobatischen Fähigkeiten.

Der achtsemestrige Bachelor-Studiengang Schauspiel an der MUK hat sich in den vergangenen Jahren dem zusätzlichen Schwerpunkt Film und Fernsehen verschrieben, unter anderem mit Casting-, Synchronisations- und Filmworkshops. Ab dem zweiten Studienjahr wird die Zusammenarbeit mit Theatern und Filmemachern gefördert. An der Kunst-Uni Graz umfasst das Diplomstudium Darstellende Kunst (Schauspiel) acht Semester in zwei Studienabschnitten. Das Studium ist modular aufgebaut. Im Zentrum des Bachelorstudiums Schauspiel an der Anton-Bruckner-Privatuniversität in Linz stehen neben den darstellerischen, körperlichen und sprachlichen Grundkompetenzen die Themenfelder Improvisation und szenische Gestaltung sowie Theatertheorie, -geschichte und Dramaturgie. Pro Jahr werden hier maximal acht Studierende aufgenommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2019)

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