Österreichs Bildungssystem ist unfair

oesterreichs Bildungssystem unfair
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Bessere Familie - bessere Schule. Insgesamt ist Österreich im OECD-Vergleich ein sozial gerechtes Land: vom Kampf gegen die Armut bis zu den Jobchancen. Bei der Bildung entscheiden aber noch Geld und Herkunft.

Österreich ist sozial gerecht. Aber nicht in allen Bereichen: Vor allem bei der Bildung hat es international großen Nachholbedarf. In höhere Schulen und an die Universität kommt fast nur, wer auch aus „gutem Hause“ stammt: Der familiäre Hintergrund und vor allem ein Migrationshintergrund fallen für Kinder und Jugendliche in Österreich viel stärker ins Gewicht als in anderen Ländern. Sozial am fairsten beim Zugang zur Bildung sind Island, Finnland und Dänemark. Hinter Österreich, das beim gerechten Zugang zur Bildung unter 31 OECD-Staaten lediglich auf Platz 24 liegt, befinden sich nur noch Länder wie Luxemburg, die Slowakei oder die Türkei. Das zeigt eine neue Studie der deutschen Bertelsmann-Stiftung über „Soziale Gerechtigkeit in der OECD“, die der „Presse“ vorliegt.

Österreich liegt im Spitzenfeld, was den Kampf gegen Armut, für Jobchancen, Einkommensverteilung und Generationengerechtigkeit betrifft: Hier spielt es kaum eine Rolle, ob der Betroffene aus einer armen oder reichen, einer gebildeten oder weniger gebildeten Familie kommt, und ob er von Zuwanderern abstammt. Der fünfte Faktor aus der Bertelsmann-Untersuchung, eben die Bildungschancen, trübt aber das Bild. So kommt Österreich bei der sozialen Gerechtigkeit insgesamt auf Platz neun von 31 in der OECD. An der Spitze: die skandinavischen Länder.

Migranten als Verlierer

Die Forscher von Bertelsmann – sie definieren staatliche soziale Gerechtigkeit als „gezielte Gewährleistung von Teilhabechancen“ – stützen sich mit ihrer Studie auf drei Elemente: erstens auf Aussagen von Bildungsexperten in jedem OECD-Land. Sie haben unter anderem Angaben gemacht, inwieweit die Bildungspolitik ihres Landes höhere Schulabschlüsse und den Zugang zur Universität fördert.

Zweitens zeigt die PISA-Studie aus dem Jahr 2010, dass in Österreich vor allem Kinder von Migranten überdurchschnittlich schlecht lesen, rechnen und die Naturwissenschaft verstehen. Auch Buben gelten in Österreich laut PISA als „Bildungsverlierer“. Und drittens spiegelt die Bertelsmann-Studie die öffentlichen Ausgaben für die frühkindliche Bildung wider: Hier liegt Österreich mit 0,407 Prozent des BIPs über dem OECD-Durchschnitt auf Platz zwölf von 31. Wie überhaupt die öffentlichen Ausgaben für Bildung in Österreich überdurchschnittlich hoch sind – bei schlechtem Bildungserfolg.

Die Politik zieht aus der Bertelsmann-Studie die bereits von PISA bekannten Schlüsse: Die SPÖ drängt auf eine spätere Selektion der Schüler, also auf eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen – diese wollen auch die Grünen; es wäre sozial fairer, sagen sie. Die ÖVP glaubt hingegen an eine stärkere „innere Differenzierung“ an AHS und Hauptschulen.

Bertelsmann-Experte Daniel Schraad-Tischler verweist auf die Skandinavier: Von ihnen könne man sich „das integrative Lernen, das längere gemeinsame Lernen und die relativ geringe Separierung im frühen Kindesalter abschauen“, sagt er zur „Presse“. Ein einziges Schulmodell – etwa eine Gesamtschule – „favorisieren“ könne man auf Basis der Studie aber nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2011)

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