Burn-out bei Lehrern: "Der Beruf ist negativ behaftet"

Die Erziehungswissenschafterin Alexandra Wieser darüber, warum viele Lehrer unter psychischer Belastung leiden und was man dagegen tun kann.

Lehrer.DiePresse.com: Wie äußert sich Burn-out bei Lehrern?
Alexandra Wieser: Es gibt Burn-out als Krankheit nicht, weil die Krankheit sehr vielfältig ist. Das kann sich bei jeder Person anders auswirken. Burn-out ist mehr ein Modewort das etwas beschreibt, was man nicht ganz klar fassen kann. Da ist sich auch die Forschung nicht einig. Sehr viele Personen sind aufgrund von psychischen Erkrankungen im Krankenstand. Dabei handelt sich aber nicht immer explizit um Burn-out. Es gibt eine Liste von 130 verschiedenen Symptomen für Burn-out.

Sie bieten Beratung für Pädagogen an. Welche Lehrer wollen an ihrem Präventionsprogramm teilnehmen?
Das sind vor allem jene Lehrer, die sich intensiver mit der Thematik beschäftigen. Viele die kommen sagen, dass sie ihre letzten Berufsjahre mit viel Motivation und Power durchstehen wollen. Für andere hingegen war das aber auch der letzte Ausweg, die hatten bereits das Gefühl sie wissen nicht mehr weiter. Sie wollen aber auch nicht in den Krankenstand gehen, weil es wiederum mit Scham verbunden ist, zuzugeben, dass man von Burn-out betroffen ist. In dem Fall versuchen sie etwas zu tun, um sich selbst zu helfen.

Nehmen das Angebot mehr Frauen oder mehr Männer in Anspruch?
Bei uns haben sich mehrheitliche Frauen gemeldet. Der unterschiedliche Umgang mit Gefühlen von Frauen und Männern wird auch in der Forschung stark diskutiert. Unser Präventionsprogramm setzt einen Willen zur Reflektion voraus und darauf lassen sich Frauen eher ein. Männer drücken solche Probleme oft anders aus, zum Beispiel flüchten sie in den Extremsport oder ähnliches. Es hat generell mit den Geschlechterrollen zu tun.

Was sind die größten Belastungsfaktoren für Lehrer und Lehrerinnen?

Das sind zum Beispiel enttäuschte Erwartungen. Lehrer investieren viel Energie und bekommen wenig positive Rückmeldungen. Sowohl von den Jugendlichen, als auch von den Eltern und auch in den Medien ist der Lehrerberuf eher negativ behaftet. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis ist oft sehr belastend durch die fehlende Anerkennung von Seiten der Schüler. Das rührt auch daher, dass Schüler sich andere Inhalte wünschen würden als jene, die der Lehrer anbietet. Es liegt aber auch an der Schulorganisation. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind sehr eingeschränkt. Man kann als Lehrer nicht so unterrichten wie man möchte, denn man hat ja viele Vorgaben wie zum Beispiel einen Lehrplan, an den man sich halten muss.

Liegen die Fehler also schon im System?
Leider ist auch nach wie vor das Einzelkämpfertum sehr verbreitet. Es gibt ganz wenig Möglichkeiten für Teamarbeit und dadurch auch zu wenige soziale Unterstützung, was ein sehr wichtige Ressource im Lehrerberuf wäre. Der mangelhafte Arbeitsplatz kommt dann hinzu. Viele Lehrer arbeiten zu Hause oder am Wochenende. Ihnen fehlt dadurch die Zeit zum Abschalten und zum Erholen. Ein andere Ursache kann aber auch die Person selbst sein, also fehlende pädagogische Fähigkeiten und die Bereitschaft, sich auf schwierge Situationen einzulassen. Das hat natürlich auch damit zu tun, wer überhaupt Lehrer werden kann und ob vor dem Studium die Eignung für diesen Beruf getestet wird. Und: Als Direktor kann man sich das eigene Personal ja auch nicht aussuchen, das heißt man kann auch nicht darauf achten ob mein Team zusammen passt.

Wo setzt die Prävention an?
Wir haben ein sehr Ressourcen-orientiertes Konzept entwickelt, das auf die Person abzielt. Man kann ja als Lehrperson nur ganz bedingt auf strukturelle Gegebenheiten einwirken. Wir verfolgen den positiven Ansatz, die eigenen Ressourcen zu stärken. Wir schauen uns zuerst an, wie die Gedanken und Gefühle wirken. Die Maßnahmen setzen wir dann auch auf dieser Ebene an. Dazu gibt es theoretische Inputs, weil es zuerst wichtig ist, über die Krankheiten informiert zu sein. Danach geht es darum, konkrete Techniken umzusetzen. Nachdem es aber individuelle Probleme sind, braucht es individuelle Lösungen.

Um welche Techniken und Maßnahmen handelt es sich dabei?

Wir machen sehr viel auf der kognitiven Ebene, also Umstrukturierungstechniken die damit beginnen den eigenen Alltag zu reflektieren. Also zu überlegen: Wo sind Phasen, die für mich sehr stressig sind? In einem zweiten Schritt überlegt man dann: Was tut mir gut? Wo sind meine Energieinseln? Stresstagebuch zu führen ist ein guter Anfang und anhand dessen kann man dann ganz gezielte Erholungsphasen im Alltag finden. Es hilft auch, sich einen pessimistischen Denk-Stil einmal bewusst zu machen und das gedanklich, positiv umzuformulieren. Das sind alles Techniken die man in der Therapie von Depressionen anwendet. Zusätzlich arbeiten wir noch mit körperlichen Entspannungstraining. Bewegung, Sport und gesunde Ernährung spielen auch eine wichtige Rolle.
Darunter fällt zum Beispiel eine Veränderung der Arbeitstechniken, wie bewusstes Zeitmanagement.

Drei nützliche Tipps für den Schulalltag, um Burn-out zu vermeiden?
Man sollte sich ganz bewusst fragen: Wo kann ich Energieinseln setzen? Man sollte sich realisitsche Erwartungen und Ziele setzen, auf die eigene Work-Life-Balance schauen und wenn man merkt, dass es einem nicht mehr gut geht und man Unterstützung braucht, diese auch wirklich in Anspruch nehmen. Dabei hilft es oft schon, mit einer Kollegin zu sprechen. Aber es gibt auch viele professionelle Anlaufstellen, die in solchen Fällen helfen.

Zur Person

Die Grazer Erziehungswissenschafterin Alexandra Wieser bietet seit fünf Jahren Seminare zur Vorbeugung von Ängsten und Depression bei Schülern an. Im Rahmen ihrer Dissertation hat sie mit einer Kollegin ein Burn-out-Präventionsprogramm für Lehrer entwickelt.

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