Product Placement: Kinder als unfreiwillige Konsumenten

Product Placement Kinder unfreiwillige
Product Placement Kinder unfreiwillige(c) APA (Roland Schlager)
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Die Jüngsten können sich am wenigsten gegen Werbung wehren: Bereits auf Volksschulkinder haben Produktplatzierungen in Filmen große Auswirkungen, besagt eine Studie der Universität Wien.

Wien. Alvin und die Chipmunks essen gern Käsebällchen. Sie essen sie sogar so gern, dass sie das geliebte Nahrungsmittel in einem ihrer Filme mit einem Lied besingen und keine Gelegenheit auslassen, Käsebällchen zu verzehren. Die singenden Streifenhörnchen – seit Jahren Stars in Zeichentrickserien und zuletzt Kinofilmen – entscheiden sich dabei freilich nicht für eine beliebige Knabberei, sondern für Käsebällchen der Marke „UTZ“.

Ob nun Kinder, die den Film „Alvin und die Chipmunks“ gesehen haben, ebenfalls mehr Lust auf besagte Käsebällchen als Kinder haben, die den Film nicht gesehen haben, hat eine Studie des Instituts für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien untersucht. Darin wollte man sich der Frage annähern, inwieweit sich sogenanntes Product Placement auf Kinder auswirkt.

Denn: Die Jüngsten können sich am wenigsten gegen Werbung wehren. Und schon gar nicht gegen eine so subtile Form wie das Auftauchen von Markenprodukten in Filmen, sagt Jörg Matthes, Professor am Institut und Leiter der Forschungsgruppe, zur „Presse“.

Das Publikum ist empfänglich

Die Wirkung, die diese Art der Werbung entfaltet, wurde bisher hauptsächliche in Bezug auf Erwachsene untersucht. Das Product Placement richtet sich jedoch zunehmend auch an das jüngste Publikum. Vor allem US-Blockbuster sind voll davon: Laut Studie sehen US-amerikanische Kinder bereits fünf Mal mehr Produktplatzierungen von Coca-Cola als klassische Werbespots für das Produkt.

Anders als klassische Werbung, die oft als aufdringlich und negativ empfunden wird, werden Produktplatzierungen vom Publikum recht positiv bewertet, so Matthes. Denn durch den Gebrauch von realen Marken in Filmen scheine auch die Handlung realistischer. Dabei wirke sich die Produktplatzierung auf Haltung und Handlung des Publikums aus – ohne dass sich die Betroffenen daran erinnern könnten, dass sie überhaupt mit dem Produkt konfrontiert wurden. Dafür, so Matthes, würden unsere kognitiven Ressourcen nicht ausreichen, während wir mit dem Schauen eines Films beschäftigt sind.
Wie sich Product Placement nun auf Kinder auswirkt, hat Matthes mit seinen Studenten an Wiener Schulen untersucht. Exakt 121 Kinder im Alter von sechs bis 14 Jahren wurden in die Studie miteinbezogen. Die Kinder wurden nach dem Zufallsprinzip in drei Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe bekam einen Ausschnitt aus dem Film „Alvin und die Chipmunks“ vorgeführt. Die erste Gruppe sah einen Ausschnitt mit starkem Placement der Käsebällchen, die zweite einen Ausschnitt mit weniger starkem Placement. Die dritte Gruppe, die sogenannte Kontrollgruppe, sah einen Ausschnitt ganz ohne Käsebällchen.

Nachdem die Kinder den Kurzfilm gesehen hatten, wurden sie zum Einzelgespräch gebeten. Auf dem Weg dorthin wurden ihnen beiläufig drei ähnliche Snacks angeboten – unter anderem die besagten „UTZ“-Käsebällchen. Dabei mussten die Kinder keinen Snack wählen, sie konnten auch einfach weitergehen.

Das Ergebnis: Jene Kinder, die mit sehr starkem Placement konfrontiert waren, griffen statistisch signifikant häufiger zu den Käsebällchen als die Kinder aus der Kontrollgruppe. Während 45 Prozent der Kinder aus der ersten Gruppe zugriffen, waren es in der Kontrollgruppe lediglich 17 Prozent. Das Alter der Kinder, so ein weiteres Ergebnis der Studie, spielt dabei keine Rolle. So geht die Studie davon aus, dass im Gegensatz zu klassischer Werbung die zunehmende kognitive Entwicklung von Kindern den Werbeeffekt von Produktplatzierung nicht verhindern kann.

Ein durchwegs „alarmierender Befund“, wie Matthes sagt: Würden in US-amerikanischen Filmen doch vor allem ungesunde und zuckerreiche Produkte gezeigt. Eine Tatsache, die in den USA bereits Einzug in die Debatte um Übergewicht und ungesunde Ernährung gefunden hat. Dennoch sei auch dort die wissenschaftliche Datenlage zur Wirkung von Product Placement auf Kinder noch „sehr dürftig“, sagt Matthes.

Mehr Forschung nötig

Seine Forderung: Die Forschung in diesem Bereich müsse intensiviert werden. Das müsse passieren, bevor man eindeutige Handlungsableitungen – wie etwa gesetzliche Regelungen für Kinderfilme – treffen könnte. Und: Wenngleich die kritische Auseinandersetzung mit Medieninhalten eine immer wichtiger werdende Aufgabe der Schulen sei, hält Matthes Maßnahmen zur Sensibilisierung und Aufklärung in der Schule erst ab dem Alter von 14 Jahren für sinnvoll. In jüngerem Alter wären die Kinder schlicht überfordert.

Auf einen Blick

Die Wirkung von Produktplatzierungen in Filmen auf Kinder haben Jörg Matthes und Brigitte Naderer vom Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien in einer Studie untersucht. 121 Wiener Schüler im Alter von sechs bis 14Jahren wurden in die Studie miteinbezogen. Das Ergebnis: Bereits die Jüngsten werden stark in ihrem Konsumverhalten beeinflusst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2012)

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