Sommelier gelernt, Zahnärztin geworden

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HAK und HLW punkten mit einer Vielfalt an Unterrichtsangeboten. – Österreichische Projekte und internationale Kontakte sichern größere Attraktivität und sorgen für volle Klassen.

WIEN. Die PC-Säle und der neuste Stand der Programme, das tauge ihr am meisten. Und an die Universität wolle sie nach der Matura auch gehen, sie denke an ein Sozialstudium oder Soziales, sagt Claudia Cuk während eines Rundgangs durch die Straßergasse. Ihre Klassenkollegin Christina Huschka ist von der Somelierabteilung der Schule fasziniert, auch die Schulbücherei erwähnt sie, bei der Berufswahl legt sie sich aber nicht fest. Soziales, vielleicht Säuglingsschwester oder ein Sprachenstudium.

900 Schülerinnen und Schüler besuchen die Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe Straßergasse in Wien-Grinzing (HLW 19). Wenn vor kurzem bei einer Diskussion niederösterreichischer AHS-Direktoren ein Schulleiter aus dem Weinviertel leicht verzweifelt einwarf, die Medien würden nur über die Wirtschaftsschulen berichten, nicht aber über eine AHS, in der Spanisch schon ab der dritten Klasse unterrichtet wird, dann stimmt zumindest eines: Die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen wenden sich öfters mit Einzelthemen, die oft nicht im Schulgeschehen vermutet werden, an die Öffentlichkeit. Und kommen damit zu dem einen oder anderen Medienbericht.

„Russland nimmt Österreich zum Vorbild – Russische Delegation besichtigt Vienna Business School Schönborngasse“ titelte zum Beispiel in der Vorwoche die Handelsakademie Schönborngasse im achten Wiener Gemeindebezirk. Russisch sprechende Schülerinnen und Schüler empfingen die Delegation der Moskauer Schulverwaltung, die sich ein Bild über diese spezifisch österreichische Schulsparte machen wollte. So nebenbei wird eingestreut, dass schon im Vorjahr der Moskauer Handelskammerpräsident die Vienna-Business-School in der Akademiestraße besucht hat. Und wenn die höhere Bundeslehranstalt für Tourismus und Wirtschaftliche Berufe in Wien-Hietzing-Bergheidengasse eine Weinauktion von Produkten aus ihrem Musterweingarten ansetzt, zieht das immer noch die Medien an. Obwohl das Profil dieser Schule wahrlich nicht beim Weinbau liegt.

Die frühere Bildungsministerin Elisabeth Gehrer hatte wiederum bei ihren Albanien-Besuchen des öfteren den Direktor der höheren Tourismusschule Krems mit im Geleit, da in diesem Balkanland Interesse an einer qualifizierten Fremdenverkehrsausbildung besteht. Der Typus der HTL entwickelt sich wiederum in Fernost zum Exportartikel.

„Knödelakademie ade“

Zurück zur Straßergasse. Mit den von einigen Schülern entworfenen Slogan „Knödelakademie ade, jetzt kommt die HLW“ zeigen die Betroffenen selbst an, dass sie trotz Küchen- und Serviceunterricht, trotz Käse- und Weinsparte andere Unterrichtsangebote ihrer Schule vor den Augen haben: Die fünfjährige höhere Schule bietet die Ausbildungsschwerpunkte Betriebliches Umweltmanagement, Kulturtouristik, Sozialmanagement und – wie mit einigem Stolz erwähnt wird – European Studies (mit Projektwoche in Brüssel) an. Dazu kommt unter demselben Dach die dreijährige Fachschule, der dreijährige Aufbaulehrgang, die einjährige Wirtschaftsfachschule und das Angebot zusätzlicher Kurszertifikate.

Wie sehr sie vom HLW-Bazillus angesteckt sind, bringen Christina Huschka und Claudia Cuk zum Ausdruck. Sie haben die dreijährige Fachschule absolviert und sich dann erst für den Weg zur Matura, also für den dreijährigen Aufbaulehrgang, entschieden. Bis zur Reifeprüfung sind das dann 14 Schuljahre.

Parallel zum Mächenmangel an den HTLs werden die Schulen für wirtschaftliche Berufe in erster Linie von Schülerinnen gestürmt. Von den 900 in der HLW 19 sind gerade 18 Prozent Burschen, die in größerem Maße in den Sparten betriebliches Umweltmanagement und Kulturtouristik zu finden sind. Mit Boys Days wirbt man um Burschen-Attraktivität.

Direktorin Gabriele Hohensinner hebt den „humanistischen Anteil“ am Unterricht hervor. „Wir haben eine große Palette an allgemeinbildenden Fächern, darunter Biologie, Psychologie und Philosophie.“ Auch der freiwillige Schulversuch Ethik werde von den Schülern akzeptiert. Dementsprechend vielfältig sind die weiteren Wege, die die Absolventinnen und Absolventen nach der Matura einschlagen: Wie reichen von der Krankenschwester und Zahnärztin, über den Sozialarbeiter und Wirtschaftsuni-Studenten bis zur Verkehrsbüroassistentin und einer Theaterpädagogin.

Kampf um jeden Schüler

Der „Kampf“ von AHS, HAK und HLW gegeneinander flammt immer wieder auf – in erster Linie bei den Tagen der offenen Tür. Der Vorteil der BHS: Sie haben ihre Informationstage, wenn sich die Schüler in der vierten Hauptschul- oder AHS-Klasse befinden. In diesem Jahr gibt es keine eigene Werbetour der AHS-Langform. Die BHS betont dann, warum gerade sie gewählt werden soll. Denn in Zeiten sinkender Schülerzahlen (infolge sinkender Geburtenrate) geht es um jede einzelne Schülerin, um jeden einzelnen Schüler.

AUF EINEN BLICK

BHS-Sektor. Die fünfjährigen Berufsbildenden höheren Schulen gliedern sich in fünf Typen: die Gewerblichen, technischen und kunstgewerblichen Schulen, die Kaufmännischen Schulen, die Schulen für wirtschaftliche Berufe, die Sozialberuflichen Schulen sowie die Land- und forstwirtschaftlichen Schulen. Sie beginnen mit der neunten Schulstufe, mit der Matura (ein Jahr später als an der AHS) sind meist eine oder mehrere Gewerbeberechtigungen verbunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2008)

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