Geburtshaus: Sanft entbunden

Geburtshaus Sanft entbunden
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Vier Hebammen bieten mit einem eigenen Geburtshaus eine Alternative zwischen Hausgeburt und Spital – ganz ohne Ärzte.

Eigentlich hätte es ein schönes Einfamilienhaus in einem Wiener Randbezirk werden sollen. „Wir waren so naiv zu glauben, dass wir einfach ein Haus mieten können und ein Geburtshaus eröffnen“, sagt Hebamme Martina Klasz. Womit sie und ihre Kolleginnen Rotraud Zeilinger und Monika Frey-Rahoui allerdings nicht gerechnet haben, waren die strengen Auflagen der Behörden – wobei Letztere mit dem Unterfangen, ein Geburtshaus zu genehmigen, auch schlicht überfordert waren. „Die haben nicht gewusst, welche Auflagen es dafür gibt. Es gibt ja bei uns kein Geburtshaus, in Deutschland und der Schweiz ist das normal, Österreich hinkt hinterher.“


Baby-Yoga und Stillgruppe. Zwei Jahre hat es gedauert, bis klar war, welche Kriterien zu erfüllen waren – etwa barrierefreie Bauweise oder eine Hygieneheizung. Seit einem Jahr haben Frauen nun mit dem Geburtshaus „Von Anfang an“ in Wien-Hietzing neben Krankenhaus und Hausgeburt eine dritte Möglichkeit, ein Kind zu gebären.

In einem Wohnhaus auf der Hietzinger Hauptstraße befindet sich das kleine Geburtshaus, das eigentlich eine Wohnung ist, mit zwei Geburtszimmern – eines inklusive großer Gebärbadewanne –, einem Seminarraum für Geburtsvorbereitung oder Baby-Yoga und einer Gemeinschaftsküche.

Auch wenn man sich das Geburtshaus optisch anders vorgestellt hat, akustisch entspricht es den Erwartungen. In der gut besuchten Stillgruppe wird nicht nur gestillt, sondern auch gebrüllt. Aus Hygienegründen werden die Straßenschuhe gleich beim Eingang gegen bunte Hausschlapfen getauscht. Es herrscht eine heimelige, angenehme Atmosphäre – sofern man das Babygeschrei ausblenden kann. Das können die mittlerweile vier Hebammen – Katharina Fuchs ist die vierte im Bunde – berufsbedingt ganz gut. Bei einer Tasse Tee erzählen die Damen bereitwillig über ihre Beweggründe, ein Geburtshaus zu eröffnen. „Gerade in einer Großstadt ist so etwas notwendig. Viele Frauen wollen nicht in ein Spital, wohnen aber in einer Mietwohnung, die nicht für eine Hausgeburt geeignet ist. Man will nicht, dass der Nachbar alles hört oder die eigenen Kinder zuschauen“, sagt Klasz.

Im ersten Jahr haben die vier Hebammen 45 Geburten im Geburtshaus betreut. „Unser Traum wären 200 im Jahr“, sagt Klasz. Sie und ihre Kolleginnen arbeiten nebenbei auch als Wahlhebammen, etwa im St. Josef Krankenhaus. Entscheidet sich eine Frau dazu, ihr Kind im Geburtshaus zu bekommen, kann sie sich eine der vier Hebammen aussuchen. Die ist dann während der ganzen Geburt anwesend und wird nicht wie in Spitälern nach Dienstschluss von einer Kollegin abgelöst. Auch vor und nach der Geburt steht die Hebamme den jungen Müttern telefonisch oder persönlich zur Verfügung. „Die Frauen schätzen diese Erreichbarkeit sehr. Und die intensive Nachbetreuung“, sagt Klasz. Wie überall bei Wahlhebammen zahlt man auch hier 900Euro, für das Geburtshaus kommen noch einmal 500Euro dazu. Die Krankenkasse retourniert lediglich den Hausgeburtstarif von 320Euro.

Nicht jede Frau darf allerdings im Geburtshaus gebären, alle Frauen sind auch bei einem Spital angemeldet. Sollte mit Komplikationen zu rechnen sein, wird die werdende Mutter, in Begleitung der Hebamme, ins Spital gebracht.


Ärzte versus Hebammen. Die Zusammenarbeit mit den Spitalsärzten laufe gut. Von einem Konkurrenzkampf zwischen Gynäkologen und Hebammen wollen die vier Damen nicht (mehr) sprechen. „Die Ärzte stehen vom Berufsrecht her über uns, wir erleben aber eine sehr flache Hierarchie“, sagt Zeilinger. Das Verhältnis habe sich mittlerweile entspannt. Vor 25 bis 15Jahren war das nicht so: „Man hat sich als Hausgeburtshebamme nicht immer wohl gefühlt, wenn man eine Hausgeburt abgebrochen hat und ins Spital gefahren ist“, sagt Zeilinger. Heute gäbe es, wenn auch kein Miteinander, so doch ein gutes Nebeneinander.

Die vier Damen betonen zwar stets, dass sie die Zusammenarbeit mit den Spitälern schätzen. Dass sie der Hausgeburt – egal ob bei der Mutter daheim oder im Geburtshaus – den Vorzug geben, ist aber nicht zu verbergen. Eine geringere Kaiserschnittrate und weniger Stillprobleme sind für sie Argumente für die Hausgeburt. „Unsere Motivation ist es auch, die Kaiserschnittrate zu senken. Die liegt in Österreich bei 30Prozent, wir glauben nicht, dass das eine gesunde Statistik ist. Die WHO fordert höchstens 15Prozent“, sagt Klasz. Bei (abgebrochenen) Hausgeburten liegt diese Rate seit Jahren bei knapp unter zwei Prozent. Die Hebammen führen das auch darauf zurück, dass sie keine wehenverstärkenden Medikamente verabreichen.


Entspannte Umgebung. Dass ihre Kundinnen nicht so oft mit Stillproblemen zu kämpfen haben, begründen sie mit der entspannten Umgebung. 24Stunden können die Frauen und ihre Familien nach der Geburt hierbleiben. Damit auch der Partner Platz hat, steht ein Doppelbett zur Verfügung. Die meisten packen allerdings nach ein paar Stunden ihre Sachen und machen sich auf den Heimweg. „Die Atmosphäre macht einfach viel aus, das spürt auch das Baby. In einem Mehrbettzimmer im Spital kann man sich oft nicht entspannen oder gar ausschlafen.“

Letzteres ist auch bei den vier Hebammen nicht immer möglich. „Ich lege mich nach einer langen Geburt in der Nacht nicht hin, sondern fahre heim zu meinen Kindern. Eine Geburt gibt einem so viel Kraft, es ist einfach ein magischer Moment“, sagt Klasz. Die vier Frauen sind mit ihrer Arbeit zufrieden – einzig beim Geld wünschen sie sich mehr Unterstützung. „Eine Spitalsgeburt kostet die Krankenkasse 2500 bis 3500 Euro, das wird anstandslos gezahlt. Hier kostet es 1400 Euro, und da ist sie nur bereit, 320 Euro zu zahlen. Das steht in keinem Verhältnis.“

Konzept
Vier Hebammen haben das Geburtshaus „Von Anfang an“ in Wien-Hietzing gegründet. Es bietet eine Alternative zur Hausgeburt und zu Spitälern. Zusätzlich gibt es, wie bei einer Wahlhebamme, Vor- und Nachbetreuung.

Kosten
900Euro zahlt man, wie bei jeder Wahlhebamme, für die Betreuung, zusätzlich kommen noch 500Euro für das Geburtshaus dazu. Die Krankenkasse retourniert 320Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2011)

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