»Burschen dürfen noch immer keinen Rock tragen«

Philipp Leeb hat den Verein »Poika« gegründet: zur Förderung gendersensibler Bubenarbeit. Der große Unterschied liegt für ihn in der Erziehung.

Wie weit sind die Verhaltensunterschiede zwischen Buben und Mädchen neurologisch bedingt?

Wir alle inszenieren uns in unserem Geschlechts- und Rollenverhalten. Selbst der bekannte deutsche Hirnforscher Gerald Hüther sagt, dass es zwar biologische Faktoren gibt, dass das aber noch lange nicht heißt, dass Männer deshalb so oder so sein müssen. Erziehung und Sozialisation sind wichtige Faktoren.

Man hat aber doch schon bei Babys deutliche Unterschiede im Verhalten, etwa in der Reaktion auf Gesichter, festgestellt.

Es gibt aber auch Baby-Beobachtungen, bei denen den Versuchspersonen gesagt wurde: Das ist ein Mädchen, und das ist ein Junge. Dann wurden sie beobachtet, wie sie das Kind berührten und mit ihm redeten. Und da gab's Unterschiede. Die Buben wurden zum Beispiel viel schneller und bewegter behandelt.

Warum stehen Mädchen dennoch eher auf Puppen und Buben auf Autos?

Das ist ein Allgemeinplatz. Es ist eine Frage des Angebots. Das Geschlecht wird schon im Bauch gemacht. Die Buben spielen auch mit Puppen, vielleicht mit anderen Puppen und auf eine andere Weise. Das hat aber auch damit zu tun, was sie erlernen. Auf der anderen Seite balgen und prügeln sich auch Mädchen, wenn man sie lässt. Es gab viele Zugangsbeschränkungen, die jetzt offen sind. Aber einige sind geblieben. Burschen dürfen noch immer keinen Rock oder kein Kleid tragen. Und wenn ein Bub ein Puppenwagerl will, wird das oft sanktioniert.

Ich kenne viele Buben, die Puppenwagerln haben. Vor allem aber wegen der Räder. Oft sitzen da auch gar keine Stofftiere drin.

Ich kenne wiederum Buben, die Tragetücher haben. Vor allem, wenn der Papa auch eins hat. Die Kinder beobachten, reproduzieren und imitieren. Der Ansatz, dass Mädchen Mädchen sind und Buben Buben ist okay. Aber besser ist es, Wissen zu vermitteln, welche Möglichkeiten es noch gibt. Wenn wir Kinder nach ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten fördern wollen, dürfen wir die Kategorie „Geschlecht“ nicht anwenden. Nur müssen wir dann eine andere Brille aufsetzen, um diese Kategorie auszublenden. Aber diese Weltordnung ist unverrückbar.

Geht der Trend nicht in Richtung einer klareren Geschlechterzuordnung?

Es gibt immer wieder einen Backlash. In Amerika heißt das „war against boys“, in Deutschland „Krise der Kerle“. Wir erleben einen massiven Wandel, und viele Männer haben Angst davor. Aber durch diese Trennung dramatisiert man die Unterschiede zwischen den Geschlechtern nur noch.

Wer hat's heute leichter, Mädchen oder Jungs?

Beide haben's schwer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2012)

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