Der Friede um den gemeinsam präsentierten Gesetzesentwurf währte nur kurz. Die Frage, wo AHS-Lehrer ausgebildet werden können, ist damit zur Ideologiefrage erklärt worden.
Wien. Unterrichtsministerin Schmied (SPÖ) dürfte eine Vorahnung gehabt haben. „Es ist noch zu früh, um zu feiern“, sagte sie bei der Präsentation des Gesetzesentwurfs zur neuen Lehrerbildung am Mittwoch. Und sie behielt recht. Bereits wenige Stunden nachdem sie das Vorhaben mit Uni-Minister Karlheinz Töchterle (ÖVP) präsentiert hatte, begannen die Streitigkeiten zwischen den beiden Ressortchefs. Der Auslöser: Die beiden Minister sind sich nicht einig, ob Lehrer, die an einer pädagogischen Hochschule (PH) ausgebildet werden, künftig auch an Gymnasien unterrichten dürfen. Bisher war das nur mit Uni-Abschluss möglich.
Zumindest für die Unterrichtsministerin scheint die Gesetzeslage klar. Durch die neue Lehrerausbildung soll die bestehende Trennung zwischen AHS-Unterstufen- und Hauptschullehrern fallen, die Ausbildung soll vereinheitlicht werden. Immerhin unterrichten beide Lehrertypen Schüler im Alter zwischen elf und 14 Jahren. Demnach sei es egal, ob ein angehender Lehrer an einer pädagogischen Hochschule oder an einer Uni ausgebildet wird. Ihm sollen sowohl die Türen zur Hauptschule und Neuen Mittelschule (NMS) als auch zum Gymnasium offenstehen. „Lösen wir uns bitte von diesen Etikettierungen“, so Schmied.
Genau daran stößt sich aber das Wissenschaftsministerium. Dort will man nämlich an der bestehenden Kompetenzverteilung festhalten. AHS-Lehrer sollen also weiter an Unis und Hauptschullehrer bzw. NMS-Lehrer an pädagogischen Hochschulen ausgebildet werden. Bestätigt fühlt man sich im Uni-Ministerium dabei durch einen entsprechenden Paragrafen im Gesetzesentwurf. Dass angehende Lehrer weiter unterschiedlich ausgebildet werden sollen, begründet man im Ministerium so: „Die Anforderungen an einen Deutschlehrer in der NMS sind andere als die an einen Deutschlehrer in einem humanistischen Gymnasium.“
Unterrichtsministerin hat das letzte Wort
Die Frage, wo AHS-Lehrer ausgebildet werden können, ist damit zur Ideologiefrage erklärt worden. Aus Sicht der ÖVP ist das quasi doppelt verständlich. Erstens: Würden alle Lehrer einheitlich ausgebildet, wäre es einfacher, diese an den Neuen Mittelschulen – einem Prestigeprojekt der Unterrichtsministerin – einzusetzen. Der Unterrichtsministerin will man schlicht keinen Erfolg gönnen. Und zweitens: Eine gemeinsame Lehrerausbildung kann durchaus als Schritt in Richtung Gesamtschule verstanden werden. Und auch dagegen will sich die ÖVP, als vehementer Gegner der Gesamtschule, wehren.
Darüber, warum diese Bedenken erst jetzt geäußert werden, kann man nur mutmaßen. Es ist wahrscheinlich, dass der Druck der schwarzen Lehrergewerkschaft keine unerhebliche Rolle gespielt hat. Denn eigentlich stand schon seit Jahren fest, dass eine gemeinsame Ausbildung quasi das Herzstück der neuen Lehrerausbildung sein soll. Das bestätigt auch Andreas Schnider, einer der hauptverantwortlichen Experten. Er hält die Diskussion um den Ausbildungsort der AHS-Lehrer für überzogen. Universitäten und pädagogische Hochschulen seien selbst dafür verantwortlich, Studienpläne so zu gestalten, dass die von ihnen ausgebildeten Lehrer sowohl an einer Hauptschule als auch an einer AHS unterrichten können. Dabei sei es wichtig, dass die Institutionen kooperieren.
Das letzte Wort wird aber ohnehin die Unterrichtsministerin – und nicht Töchterle – haben. Als Dienstgeberin der Lehrer ist sie es, die festlegt, welche Qualifikationen die Pädagogen zum Einsatz an den unterschiedlichen Schultypen mitbringen müssen.
Auf einen Blick
Die gemeinsame Ausbildung aller Lehrer, die in der Sekundarstufe – etwa in der Neuen Mittelschule (NMS), der Hauptschule bzw. dem Gymnasium – unterrichten, war das eigentliche Ziel der neuen Lehrerbildung. Nun wird daran gerüttelt. Es könnte sein, dass Hauptschul- und NMS-Lehrer weiter an den pädagogischen Hochschulen ausgebildet werden und AHS-Lehrer an den Unis studieren müssen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2013)