AHS-Gewerkschafter Eckehard Quin vergleicht das Dienstrecht mit „90 Peitschenhieben“ für die Lehrer. Für ihn scheitert die Einigung an der „ungeheuren Anhebung der Arbeitszeit“.
Die Presse: Am Dienstag haben die Ministerinnen Heinisch-Hosek und Schmied einen Beinahe-Durchbruch beim Lehrerdienstrecht präsentiert. Wenig später haben Sie vehement widersprochen. War das Ganze nur ein billiger PR-Gag der Regierung?
Eckehard Quin: Ich habe den Eindruck, dass wir uns schon voll im Wahlkampf befinden. Und wie schon der Wiener Bürgermeister Michael Häupl gesagt hat: Wahlkampfzeiten sind Zeiten fokussierter Unintelligenz.
Wenn Sie das als fokussierte Unintelligenz bezeichnen, dann frage ich Sie, warum auch Ihr Gewerkschaftskollege Jürgen Rainer sagte, dass es in Richtung Lösung gehe.
Das hat er nicht nach Ende des Gesprächs gesagt, sondern während der Verhandlung. Und zwar, als er die Sitzung verlassen hat.
Das ändert nichts an der Tatsache, dass Ihre Kollegen eine Einigung in greifbarer Nähe sehen. Chefverhandler Paul Kimberger hält eine solche noch vor der Wahl für möglich.
Die Einschätzung teile ich ja auch. Die Möglichkeit, das Dienstrecht noch vor der Wahl zu beschließen, gibt es noch. Voraussetzung ist aber, dass die Regierung die Dinge erledigt, die die Gewerkschaft bereits seit 20 Jahren fordert.
Also ist es nun ein Beinahe-Durchbruch oder ist es das nicht?
Es ist wohl die Frage, was man unter einem Beinahe-Durchbruch versteht. Regierung und Gewerkschaft sind sich nähergekommen. Das heißt aber noch nicht, dass man vor dem Abschluss steht. Ich sehe das so: Wenn das Paket, das uns im Mai 2012 vorgeschlagen wurde, 100 Peitschenhieben entsprach, dann sind es jetzt 90. Halleluja singen wir also noch nicht.
Was empfinden Sie als Peitschenhieb?
Jetzt ohne Ironie: Der Dienstgeber argumentiert, dass Lehrer durch das neue Gehaltsschema über die Lebenszeit gerechnet gleich viel oder sogar mehr Geld ausbezahlt bekommen. Deswegen sollte die Gewerkschaft glücklich und zufrieden sein. Die Arbeitszeit wird dabei völlig ausgeblendet. Es macht aber einen Unterschied, ob ich für 2000 Euro 20, 30 oder 40 Stunden arbeiten muss. Keine Gewerkschaft der Welt würde so einem Paket zustimmen.
Wie müsste ein Paket in puncto Arbeitszeit aussehen, damit Sie diesem zustimmen?
Unsere grundsätzliche Position ist klar: Eine Arbeitszeiterhöhung in dem vorgesehenen Ausmaß ist nicht akzeptabel.
Lehrer sollten künftig 24 Stunden unterrichten. Es handelt sich um eine Erhöhung von zwei bis vier Stunden.
Bei Bundeslehrern (u.a. AHS und BHS, Anm.) stimmt das nicht. Hier werden Fächer unterschiedlich bewertet. Schularbeitsfächer sind arbeitsintensiver als andere Fächer. Deshalb sind hier weniger Unterrichtsstunden nötig. Wir haben also eine Spanne von 17,2 bis 27Stunden. Wenn wir die Unterrichtsverpflichtung auf 22 oder 24 Stunden erhöhen, ist das für manche eine ungeheure Anhebung der Arbeitszeit. Es ist schon jetzt so, dass es im Lehrerbereich einen sehr hohen Anteil von teilbeschäftigten Personen gibt. Das liegt in erster Linie daran, dass es die Leute nicht aushalten, so viel zu arbeiten. Der Lehrerberuf ist – wie Untersuchungen bestätigen – ein Beruf mit sehr hoher Burn-out-Rate.
Es sind stets die AHS-Gewerkschafter, die noch mehr blockieren als die anderen. Ihnen scheint es nur darum zu gehen, den Status und das Ansehen der AHS-Lehrer zu verteidigen.
Wenn Sie damit meinen, dass ich mich dafür einsetze, dass universitär ausgebildete Lehrer auch in Zukunft entsprechend entlohnt werden, dann verteidige ich diesen Status sehr wohl. Wenn Sie aber andeuten wollen, dass ich dafür bin, dass andere Lehrergruppen weniger verdienen als AHS-Lehrer, dann stimmt das definitiv nicht.
Um es mit den Worten der Finanzministerin zu sagen: Ein AHS-Professor sollte also nicht mehr verdienen als eine Handarbeitslehrerin?
Wer universitär ausgebildet wird, soll dasselbe bezahlt bekommen.
Die Gewerkschaft hat der Regierung vor Kurzem ein eigenes Gehaltsschema vorgelegt, das im Vollausbau rund 530 Millionen Euro mehr kostet als das der Regierung. Das scheint eine unüberwindbare Hürde vor der Wahl zu sein.
Das kann ich nicht beurteilen. Aber wenn ich an die Beschlüsse in der Nationalratssitzung vor der letzten Wahl denke, die drei Milliarden Euro kosteten, dann glaube ich, dass man sich vor einer Wahl auf gar nichts verlassen kann.
Die Gewerkschaft könnte vor der
Wahl noch einmal die Muskeln spielen lassen und die Regierung zu erheblichen Zugeständnissen zwingen.
Das ist nicht ganz mein Stil.
Zur Person
Eckehard Quin (geboren 1968) ist Vorsitzender der starken AHS-Gewerkschaft. Auf Lehrerseite ist dennoch der Pflichtschulgewerkschafter Paul Kimberger der, der die Dienstrechtsverhandlungen geleitet hat. Quin hat Geschichte und Chemie studiert und ist Vater zweier Kinder. Er gehört der Fraktion Christlicher Gewerkschafter an. [Fabry]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2013)