Heinisch-Hosek: Neun Wochen Ferien sind „nicht in Stein gemeißelt“

INTERVIEW MIT BM GABRIELE HEINISCH-HOSEK
INTERVIEW MIT BM GABRIELE HEINISCH-HOSEKAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Die Unterrichtsministerin überlegt, die Arbeitszeit der Lehrer neu zu verteilen.

Die Presse: Sie haben das Büro völlig neu gestaltet. Claudia Schmieds viel beachtete Designermöbel sind großteils weg, der Schreibtisch schaut in die Gegenrichtung. Ein Signal für einen Richtungswechsel?

Gabriele Heinisch-Hosek: Die Möbel waren sehr schön. Wenn eine neue Person ein Amt übernimmt, muss sie aber auch einen neuen Stil einbringen. Ich setze mich gern mit meinem Team zusammen, daher fehlt ein Besprechungstisch. Ich brauche einen Drucker, weil ich mitunter selbst recherchiere.

Ihre beiden Amtsvorgängerinnen, Claudia Schmied und Elisabeth Gehrer, hatten am Ende ihrer Amtszeit das Image von Buhfrauen. Wie wollen Sie dem entgehen?

Ich rechne nicht damit, dass ich nach fünf Jahren eine Jubelfrau bin. Ich rechne damit, dass ich anerkannt werde in dem, was ich tue. Es ist etliches auf dem Weg. Aber vieles wurde zu wenig kommuniziert.

Was gehört besser kommuniziert?

Die Debatte um die Trennung der Zehn- bis 14-Jährigen ist künstlich aufgeblasen. Nur elf AHS-Unterstufen haben sich bisher in Neue Mittelschulen umgewandelt. Das muss man noch bewerben. Offenbar fürchten sich die AHS vor dem Begriff „Neue Mittelschule“.

Vielleicht fürchten sich die AHS auch vor einer Nivellierung nach unten?

Zu Unrecht. In Städten, wo der Drang in die AHS groß ist, müssen wir kommunizieren, dass die innere Differenzierung funktioniert. Wir werden viele Maßnahmen für Kinder mit Migrationshintergrund setzen. Wir wollen den Eltern Ängste nehmen. Jede Mutter, jeder Vater will das Beste für das Kind. Ich weiß nicht, ob die AHS immer das Beste ist.

Die Gesamtschule ist das erste Thema, das Sie im Interview ansprechen. Das ist verwunderlich, zumal es nicht einmal im Koalitionspakt steht.

Wer sagt, dass wir das nicht noch anpacken?

Es ist Ihnen also nicht gelungen, die Gesamtschule ins Programm zu schreiben?

Es gab keinen Konsens. Es hat zwischenzeitlich einen zwischen Wilfried Haslauer (ÖVP-Verhandler und Salzburgs Landeschef, Anm.) und mir gegeben. Der ist aber hinausgefallen.

Warum ist der hinausgefallen? Weil Michael Spindelegger gesagt hat: „So nicht“?

Der ist in der letzten Runde wieder hinausgefallen. Ich will das so stehen lassen.

Ist der Kompromiss an Ihnen gescheitert?

Die SPÖ ist mit der gemeinsamen Schule in die Verhandlungen gegangen. Die ÖVP wollte Gymnasien mit Aufnahmeprüfungen. Der Kompromiss ist: Alles bleibt so, wie es ist.

Was wäre der Zwischenschritt gewesen?

Das wäre eine zweijährige Orientierungsphase für zehn- bis zwölfjährige Kinder gewesen. Eins noch: Wenn ÖVP-Landeshauptleute an mich herantreten und ihr gesamtes Land zur Gesamtschul-Modellregion machen wollen, bin ich dafür. Man muss nur wenige Änderungen im Schulorganisationsgesetz vornehmen. Her damit! Ich bin bereit.

Gibt es eine Chance, dass Sie beim Lehrerdienstrecht noch nachbessern?

Nein. Es ist beschlossen. Es ist attraktiv.

Wie viele Lehrer werden sich in der Übergangsphase freiwillig für das neue Dienstrecht entscheiden? Ihre Schätzung, bitte!

80 Prozent. Ich werde dafür werben. Es ist eine meiner Aufgaben, Bildungspolitik zu verkaufen.

Viele Lehrer leiden unter Burn-out, künftige Kollegen sollen noch mehr arbeiten.

Ich werde die Lehrer dazu einladen, die Arbeitszeit anders aufzuteilen. Schauen wir, ob wir die 15 freien Unterrichtswochen im Jahr nicht anders gestalten können.

Was heißt „anders“?

Das heißt bei einem Antrittsinterview noch gar nichts. Das muss ich erst entwickeln.

Sie wollen die Ferienzeit also verringern?

Das habe ich so nicht gesagt.

Die neunwöchigen Sommerferien sind aber nicht in Stein gemeißelt?

Nichts ist in der Bildungspolitik in Stein gemeißelt. Das ist ein dynamischer Bereich.

Leider steht von alledem, was Sie hier erzählen, nichts im Koalitionspapier. Dort stehen Kleinigkeiten: mehr politische Bildung, mehr Computer in den Klassen.

Das sind keine Kleinigkeiten. Wenn wir Bücher um Tablets ergänzen, braucht es Konsens mit dem Koalitionspartner.

Aber das ist doch keine Schulreform.

Was ist denn dann eine Schulreform?

In den vergangenen Jahren ging es um die Schulorganisation, die Zentralmatura, Bildungsstandards. Sie reden von Tablets.

Wir sind uns in einigen Bereichen nicht einig geworden. Aber wir investieren 750 Millionen Euro in Kinderbetreuung und Ganztagsschulen. Es gibt eine Volksschulreform.

Sie sind auch Frauenministerin. Der PISA-Test zeigt, dass die Mädchen beim Rechnen wesentlich schlechter abschneiden.

Wir könnten Mädchen und Buben im Unterricht phasenweise trennen. Ihre Zugänge zu Aufgaben sind unterschiedlich. Darauf können Pädagoge in getrennten Gruppen besser eingehen. Wir müssen Lehrer auch für ihre geschlechterspezifische Vorbildwirkung sensibilisieren.

Wie wichtig ist diese Vorbildwirkung?

Erinnern Sie sich an Ihre erste Lehrerin?

Ja.

Sehen Sie. Lehrerinnen und Lehrer sind bedeutende Beziehungsmenschen für Kinder.

Erinnern Sie sich an Ihre erste Lehrerin?

Sie war eine empathische Frau. Ich habe ihr Respekt gezollt. Nicht, weil sie so autoritär war. Weil sie uns alle gleich behandelt hat. Ich wollte als Lehrerin so sein wie sie.

Ist Ihnen das gelungen?

Das müssen Sie meine Schüler fragen. Ehemalige Schüler haben mir einmal erzählt, woran sie sich erinnern: „Du hast immer einen Sitzkreis gemacht und uns zugehört, wenn wir Probleme hatten.“ Auch das macht Schule aus. Der Lehrerberuf gehört mehr geschätzt. Menschenbildung ist schwere Arbeit.

ZUR PERSON

Gabriele Heinisch-Hosek (52) ist vom Beamten- in das Unterrichtsministerium gewechselt. Dabei hat sie die Frauenagenden mitgenommen. Heinisch-Hosek ist selbst ausgebildete Hauptschullehrerin für die Fächer Deutsch und Bildnerische Erziehung. Außerdem hat sie zusätzlich die Lehramtsprüfung für Sonderschulen für Schwerhörige und Gehörlose.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2013)

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