Die Achillesferse der Kinderschuhe

57 Prozent der Schulkinder tragen zu kleine Schuhe. Die Folge: Fußschäden.

WIEN(cr). Das kann ins Auge gehen und junge Füße schwer schädigen: Fast 57 Prozent der österreichischen Volksschulkinder tragen zu kleine Schuhe, mitunter sind's gleich drei bis vier, ja sogar fünf Größen zu knapp. Diese bedenklichen Zahlen liefert eine aktuelle Studie des Forschungsprojekts „Kinderfüße – Kinderschuhe“.

Doch die allermeisten Taferlklassler spüren gar nicht, dass sie der Schuh drückt, und meinen auch bei viel zu kurz geratenem Schuhwerk: „Die passen super.“ Das hat ein Forschungsteam rund um den Salzburger Sportwissenschaftler Wieland Kinz im Rahmen einer Studie mit Sechs- bis Zehnjährigen schon im Jahr 2007 herausgefunden: „Die Füße der Kinder sind nahezu weich wie Gummi, die lassen sich fast wie eine Faust zusammenballen, ohne dass das weh tun würde.“ Außerdem ist das kindliche Nervensystem am Fuß noch nicht so ausgeprägt.

Der Schmerz mag fehlen, die Folgeschäden zu kleiner Schuhe bleiben indes nicht aus: Gerade weil kindliche Füße noch sehr weich sind, können sie leicht gestaucht und verformt werden. Zu kurze Schuhe können zudem zu Gelenksschmerzen und -entzündungen, zu Muskelverkürzungen, Durchblutungsstörungen und zu einer Schiefstellung der Zehen führen. Letzteres bereits im Vorschulalter! Bei einem ersten Forschungsprojekt vor einigen Jahren haben Kinz und Kollegen an Kindergartenkindern erstmals wissenschaftlich nachgewiesen, dass zu kleine Schuhe zu Fußschäden führen. Knapp 80 Prozent der untersuchten Mädchen und Buben wiesen bereits Schiefstellungen der Großzehen auf. Ein „ausgewachsener“ Hallux valgus (auch als Frostballen bekannt; Deformation der Großzehe) ist ihnen im Erwachsenenalter fast sicher.

Wie aber kommt es, dass die Kleinen in viel zu kleinen Schuhen stecken? „Weil es hier keine Normen gibt. Es gibt keine Richtlinie, die besagt, dass Größe 30 auch tatsächlich Größe 30 zu sein hat. Und wenn auf einem Schuh Größe 30 draufsteht, kann es leicht sein, dass die Innenlänge nur einer 26 entspricht. 85 Prozent der Kinderschuhe sind einfach zu kurz“, weiß Kinz. Es gäbe hier keinerlei Kontrollen.

Fuß plus zwölf Millimeter

Dennoch ist Besserung in Sicht, einige wenige Hersteller haben bereits reagiert. Unter anderem die Kette Reno, die schon bei einigen Käufern Verwirrung gestiftet hat: An den Kinderschuhen hängt ein Zettel mit der Aufschrift „Echtgröße“. Kinz: „Das ist dann die wirkliche Größe des Schuhs und nicht die, die auf der Sohle oder innen ausgewiesen ist.“

Seit einigen Monaten wird auch bei Jello mehr auf kindliche Füße eingegangen: mit Messstationen, wo die Innenlänge der Kinderschuhe und die Füße vermessen werden. Und zwar mit speziellen Messgeräten, die Kinz entwickelt hat. „Das Gerät heißt deswegen plus 12, weil jeder Kinderschuh, aber auch die von Erwachsenen, mindestens zwölf Millimeter länger sein sollte als der Fuß.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.