Lehren und Lernen: „Cool, eine eher exotische Sache“

(c) Neuhauser
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Das Impulszentrum für „Cooperatives Offenes Lernen“ (Cool) räumt mit dem klassischen Unterricht auf. In einem Teil der Schulstunden ist der Lehrer Partner, die Schüler bestimmen Tempo und Stoffbereich.

Man kann mit anderen zusammen arbeiten.“ „Das ist jetzt viel lustiger.“ „Es bleibt einfach mehr hängen.“

Unterricht einmal anders. Interessant, abwechslungsreich, mitunter fröhlich, die Schüleraussagen sind eindeutig. Es darf, richtiger: soll mit den Mitschülern geredet werden. Und das alles nicht in einem Sondertyp einer Privatschule, sondern durchaus im öffentlichen Schulwesen. Genauer: in jenen berufsbildenden höheren Schulen, die sich am Projekt „Cool“ beteiligen.

Georg Neuhauser und Helga Wittwer, beide von der Handelsakademie Steyr, sind die Initiatoren des Projekts „Cooperatives Offenes Lernen“, kurz Cool genannt. Es geht dabei in erster Linie um eine Lehrerkooperation, „eine eher exotische Sache“, wie Neuhauser sagt. Denn Lehrer sind hierzulande ausgebildete Einzelkämpfer. Die Teamarbeit ist dabei weitgehend unbekannt. Neuhauser: „Die meisten Lehrer sind gewohnt, dass ihnen niemand dreinredet, sie lassen sich ihre Freiheit nicht nehmen.“ Und parallel dazu steht die Teamarbeit der Schüler.

Die beiden Cool-Initiatoren haben schon vor zwölf Jahren ein Bedürfnis für eine Veränderung festgestellt. 1996 starteten sie ihr Pionierprojekt, das derzeit eine steile Aufwärtsentwicklung erlebt. Bereits mehr als 80 Schulen praktizieren in der einen oder anderen Form den Cool-Unterricht. Die Grundidee der gesamten Initiative ist recht einfach: Wenn Schülerinnen und Schüler teamfähig werden sollen, dann müssen es die Lehrerinnen und Lehrer auch sein. Sie müssen sich also zu Einstiegsklausuren zu Beginn des Schuljahres, dann zu regelmäßigen Teamsitzungen zwecks Reflexion und Weiterentwicklung des Cool-Projekts treffen. Ohne zusätzliche Gage oder angerechneter Unterrichtsstunde übrigens.

Die Lehrkräfte machen mit, „weil es ein Bedürfnis nach einer Veränderung des Unterrichts gibt“ (Neuhauser). Denn einem fünf- oder sechsstündigen Vortrag – wenig schmeichelhaft als Frontalunterricht gebrandmarkt – könnten die Schüler nicht konzentriert folgen. Also müsse man für eine Abwechslung sorgen.

Auch die Schüler haben ihre wöchentliche oder vierzehntägige Klassenratssitzung, wo sie ihre Anliegen besprechen, Gesprächsregeln trainieren und Moderationstechniken erlernen. Im Unterricht verfügt der einzelne Schüler wiederum über die Freiheit, wann, wo und wie er die gestellten Aufgaben bis zu den vorgegebenen Terminen bewältigen will.

„Freiheit und Kooperation“, diese Grundprinzipien der Cool-Strategie kommen aus dem in den Niederlanden praktizierten Daltonplan: Wahlfreiheit und Eigenverantwortung für den Lernfortschritt, Zusammenarbeit und Teamfähigkeit, selbstständiges Planen und Organisieren. Es geht um die Entscheidungsfreiheit der Schüler in einem Teilbereich ihrer Arbeit. Die Schüler arbeiten mit schriftlichen, oft auch fächerübergreifenden Arbeitsaufträgen, die Lehrkräfte werden zu Moderatoren, zu Begleitern des Lernprozesse, zum Coach.

Der Erfolg? Weniger Nicht genügend, weniger Fehlstunden, höhere Schulzufriedenheit, Steigerung der Motivation. „Es gibt eine deutliche Verbesserung in den Bereichen Persönlichkeitsentwicklung und Sozialkompetenz sowie leichte Verbesserungen im Bereich der fachlichen Leistung“, sagt Georg Neuhauser.

In den Niederlanden oder in Dänemark nimmt das sogenannte „offene Lernen“ 60 bis 70 Prozent der Schulzeit ein, in den österreichischen Cool-Schulen gestaltet man etwa 30 Prozent nach dem Cool-Konzept. „Ein Lehrer-zentrierter Unterricht ist weiter notwendig“, sagt Neuhauser. Bei diesem Lehrervortrag gehe es um konkrete Instruktionen, an die sich ein Arbeitsauftrag anschließt; oder um Sachverhalte, die für alle Schüler und für deren Projektausführungen wichtig sind. Der reine „Stoffunterricht“ ist wiederum Teil der Instruktionen bzw. Teil des offenen Lernens.

Natürlich gibt es auch in den Cool-Klassen Schüler die eine Klasse wiederholen müssen. Das ist dann der Fall, wenn Schüler die Arbeitsaufträge verweigern und auch bei Wiederholungen versagen. Die Repetentenquote ist aber im Vergleich zu früher deutlich gesunken.

Erste Impulse aus der Wirtschaft

Die beiden Verantwortlichen für das 2001 gegründete Cool-Impulszentrum, Helga Wittwer Georg Neuhauser, wollen so viele Schulen wie möglich für ihr Unterrichtsmodell gewinnen. „Nach oben soll es keine Grenzen geben“, so das Motto. Der bisherige Cool-Kreis besteht aus Handelsschulen, Handelsakademien und höhere Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe (HLW), weil eben der partnerschaftliche Arbeitsunterricht immer schon von der Wirtschaft und Industrie gefordert wurde. Jetzt will man aber bestehende Gräben zwischen den Schultypen überwinden und den Cool-Virus in die AHS hineintragen. Am Gymnasium in Bad Ischl gibt es bereits eine erste Cool-Klasse, weitere sollen folgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2008)

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