„Auffangklassen ja – aber nur bei gleichzeitiger Integration“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wieder wird über eigene Sprachförderklassen debattiert. Laut Experten sollte intensive Förderung nicht vom Unterricht losgelöst sein.

Wien. Soll es eigene Vorbereitungsklassen für Zuwandererkinder geben, die während ihrer Schullaufbahn nach Österreich kommen? Während Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) hartnäckig bleiben will, bremst Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Wenn, dann sollten solche vorbereitenden Kurse so kurz wie möglich sein. Experten halten von einer Trennung wenig.

Intensive Sprachförderung dürfe nicht völlig losgelöst vom regulären Unterricht passieren, sagt ?nci Dirim, Professorin für Deutsch als Zweitsprache (Uni Wien). „Auffangklassen für Seiteneinsteiger sind in Ordnung – aber sie müssen mit einer parallelen, möglichst sofortigen Eingliederung in den Regelunterricht einhergehen. Die Forschung zeigt, dass integrierte Sprachförderung erfolgreicher ist als die, die keinen Bezug zum Unterricht hat.“ Wenn Förderklassen eingerichtet würden, müssten Schüler nach kurzer Einführung – etwa einer Woche – schrittweise in den Unterricht integriert werden. Und zwar nicht nur in Fächer, in denen Sprache keine so große Rolle spielt, sondern durchaus auch etwa in Mathematik. „Sie sollten ja möglichst viel fachbezogenes Deutsch mitbekommen und am Regelunterricht teilnehmen.“

„So verschenkt man Ressourcen“

„Es ist nicht sinnvoll, Kinder in Ghettoklassen zu stecken“, sagt Deutsch-als-Zweitsprache-Professorin Sabine Schmölzer-Eibinger (Uni Graz). Spracherwerb passiere vor allem über die soziale Interaktion. „Wenn man Migrantenkinder von deutschsprachigen trennt, verschenkt man eine wichtige Ressource für das Sprachenlernen.“ Optimal sei die Verschränkung von Integration und Extraförderung.

Ein zentraler Aspekt werde übrigens oft vernachlässigt, sagt ?nci Dirim: Oft seien jene Lehrer, die die Deutschförderung übernehmen, selbst gar nicht spezifisch dafür qualifiziert. „Das ist eine große Baustelle.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2015)

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