"Hinausgeworfenes Geld": Bildungsexperte kritisiert Ganztagsschule

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Welche Probleme löst die Ganztagsschule? Maximal das Betreuungsproblem berufstätiger Eltern, sagt Stefan Hopmann. Ansonsten sei der Nutzen nicht belegt.

Die Regierung – und dabei besonders die SPÖ - erwartet sich viel von der Ganztagsschule. "Mit dem Ausbau der Ganztagsschulen schaffen wir mehr Chancengerechtigkeit im Bildungssystem", ist etwa Bildungsministerin Sonja Hammerschmid überzeugt. Auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) erwartet sich durch den Ausbau eine "deutliche Verbesserung der Bildungsqualität" in Österreich und spricht von einem "Herzensprojekt". Die Qualität sei in Ganztagsschulen "deutlich besser" als in herkömmlichen Schultypen.

Warum die Ganzstagsschule dies leisten können soll, kann Bildungswissenschafter Stefan Hopmann jedoch nicht nachvollziehen. "Es gibt keinen messbaren Nachweis, dass die Ganztagsschule die Chancengleichheit fördert", sagt er gegenüber dem "Standard". Er glaubt deshalb, dass die 750 Millionen Euro für den Ausbau „hinausgeworfen“ seien.

Tatsächlich würde die Ganztagsschule maximal das Betreuungsproblem berufstätiger Eltern lösen. Das sei zwar ein ehrenwertes Ziel. Aber man solle dann nicht sagen, es gehe um die Förderung sozial schwacher Kinder.

Hammerschmid blockte Kritik ab

Hopmann, Professor für Bildungswissenschaft an der Uni Wien, ist ein oft gehörter Experte. Von der Regierung wurde er auch bei den Beratungen zur Ganztagsschule hinzugezogen, wie er sagt. Allerdings sei ihm dann der Kragen geplatzt: "Im Unterrichtsausschuss habe ich auf die fehlenden wissenschaftlichen Belege für den Nutzen der Ganztagsschule hingewiesen, worauf Bildungsministerin Sonja Hammerschmid unmissverständlich gesagt hat: Das sei ihr völlig egal, sie glaube trotzdem daran."

Hopmann glaubt nicht nur an den fehlenden Nutzen der Ganztagsschule. Er ist auch der Meinung, sie könne die Situation unter Umständen sogar verschlechtern: „Wenn ein Kind mit sprachlichen, kognitiven oder sonstigen Defiziten den ganzen Tag unter anderen ist, die es auch nicht besser können, ist das nicht förderlich. Diese Kinder profitieren dann, wenn sie gezielte Förderung bekommen. Das ließe sich aber auch in der Halbtagsschule organisieren, denn die Nettounterrichtszeit bleibt ja gleich.“

(rovi)

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