Mehr als 1000 Lehrer trafen sich zu einer Informationsveranstaltung in der Stadthalle. Sie kritisierten das Schulautonomiepaket: Die Verclusterung laufe auf eine Sparmaßnahme hinaus.
Mit Buhrufen wurden Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) und Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) in ihrer Abwesenheit in der Wiener Stadthalle bedacht: Mehr als tausend Wiener Lehrer waren am Donnerstagvormittag dem Aufruf der Gewerkschaft zu einer Informationsveranstaltung über die Schulautonomie gefolgt. Und während die Bildungsministerin bereits klargestellt hatte, dass sie von den Eckpunkten der Reform nicht abrücken würde, rüttelten die Lehrer an genau diesen.
Vier Punkte, an denen sie sich konkret stoßen: Die Abschaffung der Klassenschülerhöchstzahl 25, die Zusammenlegung großer Schulstandorte zu Clustern, die Eingliederung der Sonderpädagogikzentren in die neuen Bildungsdirektionen. Und die Tatsache, dass das ganze Schulautonomiepaket kostenneutral sein soll. „Für den Ballungsraum sind viele Teile der Reform praxisfern“, kritisiert Lehrergewerkschafter Stephan Maresch im Gespräch mit der „Presse“.
Die Verclusterung – die im ländlichen Raum sinnvoll sein könnte – laufe auf eine Sparmaßnahme hinaus. Man befürchtet eine schleichende Erhöhung der Klassenschülerzahl. „Wien wächst. Wir haben keine Lehrer und keine Klassen mehr. Wenn ich in jede Klasse zwei Schüler mehr hineinsetze, erspare ich mir 400 Klassenräume.“ Und die Situation in Wien – Stichwort Migrantenkinder und soziale Probleme – könne man nicht kostenneutral lösen.
„Aus jetziger Sicht wäre es gescheiter, wenn man vom Start anfangen würde und auch den Ballungsraum berücksichtigt“, sagt Maresch. Er erwartet sich zumindest, dass nach Ende der Begutachtungsfrist die Kritikpunkte eingearbeitet würden. Am 8. Mai gibt es wieder Gespräche mit dem Ministerium. Wenn das nicht der Fall ist, werde man sich etwas überlegen. „Wir Lehrer haben immer bewiesen, dass wir kreativ sind. Es gibt gewerkschaftliche Maßnahmen von-bis.“
Das Wort Streik wollte er nicht in den Mund nehmen. Die anwesenden Lehrer rief Maresch aber zu Geschlossenheit auf. „Die heutige Veranstaltung ist ein erster Schritt und könnte der erste Teil einer möglichen Serie an Maßnahmen sein. Ich bitte um geschlossene Unterstützung.“ Zurufe von außen seien natürlich zu erwarten. Aber es gelte die Macht der Geschlossenheit.
Abschaffung der sogenannten Inklusions-Zentren
Aufregung hatte sich zuletzt vor allem wegen eines bisher wenig beachteten Punkts verbreitet – wegen der Streichung des Paragraf 27a des Schulorganisationsgesetzes. Dahinter verbirgt sich die Abschaffung der sogenannten Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik (ZIS). Sie würden, so sagen die Lehrer, aber unglaublich wichtige Arbeit leisten. Laut Gesetz sind diese Zentren Sonderschulen mit der Aufgabe, sich um die sonderpädagogischen Maßnahmen in anderen Schularten zu kümmern. Was kompliziert klingt, heißt, dass die ZIS Sonderschulpädagogen in andere Schulen schicken. Diese diagnostizieren den sonderpädagogischen Förderbedarf bei Kindern und betreuen diese dann vor Ort.
Das Bildungsministerium schafft diese eigenständigen Zentren nun ab und gliedert sie in die Bildungsdirektionen ein, wie die Landesschulräte künftig heißen. Es kommt also zu einer Zentralisierung. Die Wiener Pflichtschullehrer drücken das deutlich dramatischer aus: „Es wird ein qualitativ hochwertiges Supportsystem abgeschafft und hoch qualifizierte Sonderpädagogen sollen durch billige Assistenzkräfte (,Hilfslehrer') ersetzt werden“, heißt es in ihrer Stellungnahme.
(Red.)