„Kennt Wien die besten Lehrer?“

Bei der London Challenge gab es auch Extra-Ressourcen – aber nur gegen Resultate.
Bei der London Challenge gab es auch Extra-Ressourcen – aber nur gegen Resultate. (c) Michele Pauty
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Mit der London Challenge hat David Woods eine erfolgreiche Reform umgesetzt. Wien könnte einiges daraus lernen – wenn es die Bereitschaft gibt, das anzustoßen.

Wien. Eigentlich will David Woods nicht von Reformen sprechen – sondern von Wirkung. „Es gibt so viele Beispiele für Bildungsreformen, die so wenig Veränderung brachten“, sagt der Brite. Für die, die er selbst geformt hat, gilt das nicht: Die London Challenge – die große Londoner Schulreform, die in der britischen Hauptstadt von 2003 bis 2012 umgesetzt wurde – gilt als Erfolgsgeschichte. Sie ist nicht der einzige, aber wohl der zentrale Faktor dafür, was mit den Londoner Schulen in diesen zehn Jahren passiert ist.

Von der Region mit den schlechtesten Leistungen bei den standardisierten Tests der Elf- und 16-Jährigen ist London zu der mit den besten Ergebnissen geworden. Die Leistungskluft zwischen armen und reichen Schülern ist halb so groß wie im nationalen Durchschnitt. In Englisch als Zweitsprache – großes Thema im multikulturellen London – sind die Leistungen dafür über dem Schnitt.

Von London könnte sich auch Wien einiges abschauen, meint der 74-jährige Woods, der hier am Montag unter anderem auf SPÖ-Bildungsstadrat Jürgen Czernohorszky und auf Stadtschulratspräsidenten Heinrich Himmer traf (siehe Factbox). „Es gibt viel, das man umsetzen kann – auch ohne gleich ein derart umfassendes Programm zu starten wie wir. Ich finde, Wien könnte damit anfangen.“

Eine Vision, Unterstützung von Schulen für andere Schulen, Fokus auf die Qualität des Unterrichts und auf die Führungskompetenzen der Schulleiter, spezielle Schulentwicklungsberater, das Ausschöpfen aller verfügbaren Schuldaten – und strenge Konsequenzen bis hin zur Kündigung des Direktors oder der Schulschließung sind einige Punkte, die London zum Erfolg machten.

Der Name Challenge – Herausforderung – kam dabei nicht von irgendwo: Teilnehmende Schulen bekamen klare Zielvorgaben. „Sie sollten innerhalb von zwei Jahren signifikant besser werden – und sich auch dann weiter verbessern“, sagt Woods. Dafür gab es auch Ressourcen – spezielle Schulentwicklungsberater, Extra-Personal, für besonders herausgeforderte Schulen überhaupt ein Budgetplus. „Aber es gab Geld für Resultate. Wenn es nicht funktioniert hat, haben wir mitunter die Schulleitung ausgetauscht.“

Der (seltene) Extremfall: Ein Dutzend der rund 2400 Schulen wurde geschlossen und mit neuem Team und neuem Namen neu gestartet. „Das würde Österreich extrem erschrecken“, sagt Woods. „Aber wenn auf der einen Seite die Zukunft von 1000 Kindern steht und auf der anderen der Job eines Direktors: Da muss man nicht lang überlegen.“

„Man muss alle Daten nutzen“

Die Herausforderung ging in London Hand in Hand mit Unterstützung. Und das ist eine Sache, die man laut Woods auch in Wien umsetzen könnte – ja sollte: Schlechte Schulen wurden in London mit besonders guten Schulen zusammengespannt, um ein Jahr lang von ihnen zu lernen. Ob Leistungsdaten dafür – wie in Großbritannien – öffentlich sein müssen, darüber müsse man jetzt nicht streiten, auch wenn er persönlich dafür sei, so Woods. „Hauptsache, Wien nutzt alle verfügbaren Daten, um Unterstützung – etwa mittels einem Schule-zu-Schule-Modell dorthin zu bringen, wo sie nötig ist.“

Generell könne sich Wien aber auch den Umgang mit Best Practice abschauen. „Die erste Frage ist: Weiß Wien überhaupt, wo die besten Lehrer sind, die besten Schulen, der beste Unterricht?“ Wenn man das wüsste, könnte man das nutzen. „Wir haben jede Schule aufgefordert, drei Punkte zu nennen, in denen sie wirklich gut sind – gut genug, um andere einzuladen. Wenn man das weiß, kann eine Schule, die beim Deutschunterricht Probleme hat, davon lernen.“ Sofern die Tradition, dass jeder Lehrer für sich alleine kämpft, gebrochen werden könne.

„Es geht darum, Herzen und Köpfe der Wiener Schulen zu gewinnen“, sagt er. „Ob sie bereit sind, Wissen zu teilen, sich gegenseitig zu helfen, zusammenzuarbeiten. Aber irgendjemand muss das anführen. Und das kann nur die Bildungspolitik sein.“

AUF EINEN BLICK

David Woods (74) war als Chefberater für die große Londoner Schulreform verantwortlich: die London Challenge, die von 2003 bis 2012 in der britischen Hauptstadt lief. Die Leistungen der Schüler verbesserten sich in diesem Zeitraum dramatisch. David Woods war am Montag auf Einladung von BildungGrenzenlos, Arbeiterkammer und Armutskonferenz in Wien zu Gast.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2017)

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