Gewalt: Ein Schultag, fünf Verletzte

(c) APA (ROLAND SCHLAGER)
  • Drucken

836 Anzeigen wegen Körperverletzung hat es im Vorjahr an Österreichs Schulen gegeben. Mehr als ein Drittel davon erfolgte in Wien. Das zeigen neue Zahlen.

Wien. Geschichten über Gewalt an Schulen hörte man zuletzt viele. Es wurde von Schülern erzählt, die ihre Lehrer bespucken, sie an den Haaren reißen und ihnen Knochen brechen, sowie von Mobbing, Drohungen und Verletzungen zwischen Schülern. Nur Zahlen dazu, wie oft es zu Gewalttaten kommt, fehlten. Am Dienstag wurden sie durch eine parlamentarische Anfragebeantwortung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) nachgeliefert.

Demnach hat es im Vorjahr an „Bildungseinrichtungen“ 835 Anzeigen wegen Körperverletzung oder schwerer Körperverletzung gegeben. Dazu kam eine wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung. An jedem Schultag (es gibt 184) kommt es in Österreich damit zu vier bis fünf Körperverletzungen. Mehr als ein Drittel der Körperverletzungsanzeigen entfallen dabei auf Wien. Dort gab es 303 Anzeigen wegen Körperverletzungen an Schulen, dazu kamen neun wegen schwerer Körperverletzung.

Häufig erfolgen an den Schulen auch gefährliche Drohungen. Österreichweit waren es im Vorjahr 202, davon 67 in Wien. Vereinzelt kamen Anzeigen wegen Sexualdelikten (im einstelligen Bereich) dazu. In Wiener Schulen wurden ein Raub und zwei schwere Raube angezeigt, ebenso in der Steiermark, in Salzburg und in Oberösterreich. Eine Anzeige gab es in Niederösterreich wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung.

Zahlen ließen sich zuerst nicht finden

Dass es diese detaillierten Zahlen nun gibt, ist verwunderlich, denn bislang waren sie nicht eruierbar. Schon einmal geisterte eine konkrete Zahl herum. Es soll, hieß es, allein im Vorjahr an Wiens Schulen 1600 Strafanzeigen gegeben haben. Die Polizei konnte das auf „Presse“-Anfrage zu Jahresbeginn weder bestätigen noch nachvollziehen. Denn derartige Statistiken würden nicht geführt. Erst vor einer Woche hat man sich deshalb bei einem runden Tisch gegen Gewalt, zu dem der Stadtschulrat einlud, darauf geeinigt, konkrete Zahlen zu erheben.

Offenbar gab es diese aber schon bisher. Laut Innenminister Kickl wird die Örtlichkeit „Bildungseinrichtung“ seit 2013 kriminalstatistisch erfasst. Wobei nicht klar ist, ob es sich bei den „Bildungseinrichtungen“ ausschließlich um Schulen handelt. Das Innenministerium blieb eine Antwort auf eine entsprechende „Presse“-Anfrage vorerst schuldig. Aus den Zahlen lassen sich auch keine Informationen über die Identität der Opfer oder Täter ablesen. Wie häufig es zu Gewalt unter Schülern bzw. zu Gewalt gegen Lehrer kommt, ist also nicht beantwortbar.

FPÖ fordert Metalldetektoren

Abzulesen ist aber, dass die Zahl der Delikte gestiegen ist. Zu Beginn der Dokumentation, in den Jahren 2013 und 2014, wurden die Delikte offenbar nur unvollständig erfasst. 2015 wurden in Wien insgesamt 278 Körperverletzungen angezeigt, dazu kamen 14 schwere. 2016 waren es 267 Körperverletzungen, sieben schwere sowie eine mit schweren Dauerfolgen. Im Vorjahr stieg die Zahl der angezeigten Körperverletzungen schließlich auf 303, dazu kamen neun schwere. Bei gefährlichen Drohungen kletterte die Zahl von 52 im Jahr 2015 über 60 auf 67 im Jahr 2017.

Diese Zahlen, die durch eine parlamentarische Anfrage der Wiener ÖVP-Mandatare Karl Mahrer und Wolfgang Gerstl publik wurden, befeuern die politische Diskussion weiter. Sie seien „erschreckend“ und ließen nur „erahnen, wie hoch die Dunkelziffer der Übergriffe in Schulen sein muss“, hieß es aus der ÖVP, die von der rot-grünen Wiener Stadtregierung „endlich konkrete Maßnahmen“ forderte. Die Wiener FPÖ hätte da bereits Wünsche: mehr Rechte für Lehrer und Metalldetektoren an Problemschulen, um „sicherzustellen, dass Schüler auch wirklich unbewaffnet das Schulgebäude betreten“. Die Schritte des Stadtschulrates klingen anders: Der will die Zahlen vorerst „weiter spezifizieren“ und im Herbst einen neuerlichen runden Tisch gegen Gewalt veranstalten.

Auf einen Blick

Das Thema Gewalt an Schulen beschäftigt die Politik – und zwar vor allem in Wien. Nachdem Pädagogen öffentlich von tätlichen Übergriffen berichteten und der oberste Lehrergewerkschafter von einem „quantitativ wie qualitativ wachsenden Problem“ sprach, wurde der Stadtschulrat aktiv und lud in der Vorwoche mehr als 40 Vertreter aus Polizei, Politik, Religionsgemeinschaften, Lehrer-, Eltern- und Schülerschaft ein. Dabei einigte man sich darauf, Broschüren zu erarbeiten und erstmals Zahlen zur Gewalt an Schulen zu erheben. Letzteres dürfte nun nicht mehr nötig sein. Das Innenministerium hat diese Zahlen veröffentlicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Schule

Gewalt an Schulen: 836 Anzeigen wegen Körperverletzung

Mehr als ein Drittel der Delikte ist im Vorjahr in Wien angezeigt worden. Dazu kommen 202 gefährliche Drohungen und vereinzelt gab es auch Sexualdelikte.
Zahlen dazu, wie weit verbreitet Gewalt an Schulen ist, sollen bis zum Herbst vorliegen
Schule

Gewalt: „Schüler suspendieren ist zu wenig“

Bei einem runden Tisch wurden erste Maßnahmen gegen Gewalt an Schulen paktiert: Es sollen Zahlen erhoben, Lehrern soll durch Broschüren „der Rücken gestärkt werden“.
Lediglich 32 Prozent der Schüler geben an, dass sie in der Schule noch keine Gewalt miterlebt haben – verbal oder körperlich.
Schule

Viele Schüler sind Zeugen von Gewalt

Eine Schülerumfrage befeuert die Debatte über Gewalt an Schulen. Minister Faßmann will sich dem Thema noch intensiver widmen. Wiens runder Tisch findet im Lauf des Mai statt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.