"Freilernen": Schulboykott gefährdet das Kindeswohl

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein 13-Jähriger hat nie die Schule besucht - die Eltern lehnten auch Externistenprüfungen ab. Der OGH bestätigt nun, dass ein teilweiser Obsorge-Entzug rechtens ist.

Wenn Eltern ihr schulpflichtiges Kind nicht in die Schule schicken und es dadurch erhebliche Wissenslücken aufweist, gefährden sie dessen Wohl. Dies kann laut einem Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH), das am Donnerstag auf dessen Website veröffentlicht wurde, die - teilweise - Übertragung der Obsorge an den Kinder- und Jugendhilfeträger erforderlich machen.

Bei dem vom OGH behandelten Fall ging es um den 13-jährigen Sohn eines Ehepaares, der noch nie eine Schule besucht hat. Seine Eltern hingen dem pädagogischen Konzept des "Freilernens" an. Dabei wird ein Schulbesuch grundsätzlich abgelehnt, da die Kinder sich "die Welt" und das notwendige Wissen selbst spielerisch aneignen sollen. Von ihren Eltern müssen sie nur unterstützt werden, ohne dass bestimmte Lerninhalte vorgegeben sind.

Das Kind legte allerdings nur für den Stoff der 1. und 2. Klasse Volksschule erfolgreich die verpflichtende Externistenprüfung ab. Weitere Prüfungen absolvierte der Sohn nicht, weil die Eltern mittlerweile auch dies ablehnten. Sie wurden außerdem bereits zu Geldstrafen wegen Verletzung der Schulpflicht verurteilt. Der Stadtschulrat für Wien beantragte schließlich beim Pflegschaftsgericht, den Eltern wegen des zu befürchtenden Bildungsverlusts des Kindes die Obsorge zu entziehen.

Obsorge hat das Land

Das Erstgericht trug den Eltern auf, für die Ablegung der ausständigen Externistenprüfungen zu sorgen. Das Rekursgericht übertrug die Obsorge für den Sohn bei schulischen Angelegenheiten vorläufig von den Eltern auf das Land Wien als Kinder- und Jugendhilfeträger. Die Maßnahme des Erstgerichts sei nicht ausreichend.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte den Beschluss des Rekursgerichts. Weiters trug er den Eltern auf, mit dem Kinder- und Jugendhilfeträger bei der Erfüllung von dessen Pflicht, die Wissenslücken des Kindes zu beseitigen, zu kooperieren. Der OGH betonte wie die Vorinstanzen, dass die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des Kindes gefährden. "Die Gefährdung des Kindeswohls liegt nicht nur in den Wissenslücken, sondern auch im Fehlen von Nachweisen über Schulabschlüsse, wodurch das Kind in seinen künftigen Entwicklungsmöglichkeiten (Studium, Berufsausbildung) erheblich beeinträchtigt wird", hieß es.

(APA)

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