Reifeprüfung: Sag, wie hast du's mit der Literatur?

Welchen Stellenwert hat Literatur in der Deutschmatura – und warum ist diese überhaupt für alle Schulen gleich? Das fragen sich Experten.
Welchen Stellenwert hat Literatur in der Deutschmatura – und warum ist diese überhaupt für alle Schulen gleich? Das fragen sich Experten.(c) Clemens Fabry
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Experten rücken die Deutschmatura in den Fokus. Sie bekräftigen die Forderung nach mehr Literatur. Das Bildungsministerium will auf den Unterricht fokussieren.

Wien. Da bei der Mathematikmatura wegen der schlechten Ergebnisse an einigen Schrauben gedreht werden wird, konkret etwa an den Aufgabentexten („Die Presse“ berichtete), haben Germanisten und Autoren nun einmal mehr die Deutschmatura in den Fokus gerückt – und einige Reformideen in den Raum gestellt, auch radikalere: von den Themenstellungen bis hin zur generellen Frage, ob eine Deutschmatura überhaupt so zentral sein muss, wie sie es ist.

Denn Deutsch ist – anders als etwa Mathematik, Englisch oder Latein – für alle rund 40.000 Schüler gleich, die jedes Jahr die Reifeprüfung ablegen: Unabhängig vom Schultyp und unabhängig von der Anzahl der Unterrichtsjahre sind die Aufgaben dieselben, was Ludwig Laher von der Autorenvereinigung bei einer Enquete vergangene Woche kritisierte: Dem Fach werde kein begabungsorientierter Mehrwert zugebilligt, der in bestimmten Schulen höhere Ansprüche rechtfertigen würde.

Dafür, dass im Fach Deutsch nicht zwischen Gymnasien und berufsbildenden Schulen differenziert wird, haben Experten anfänglich aber sogar gekämpft, wie Werner Wintersteiner im Gespräch mit der „Presse“ erklärt. Der pensionierte Deutschdidaktiker hat – innerhalb der Vorgaben des Ministeriums – an der Konzeption der Zentralmatura mitgearbeitet. Eine gleiche Prüfung für AHS und BHS habe sichergestellt, dass auch etwa HTL-Schüler zumindest eine literarische Aufgabe zur Wahl haben – und nicht null Literatur.

Schnell nur noch Nebensache

Auch wenn das nicht in Stein gemeißelt sein müsse, spreche nach wie vor manches dafür: Wenn es für verschiedene Schultypen nämlich verschiedene Reifeprüfungen in Deutsch gebe, sei es schwieriger zu argumentieren, dass etwa auch in den HTL bei der Matura Literatur geprüft werden solle. Und ob man das gut finde oder nicht: Was nicht in der Matura vorkommt, das laufe Gefahr, im Unterricht erst recht zur Nebensache zu werden.

Der Unterricht ist überhaupt die generelle Stoßrichtung der Autoren und Germanisten – und auch die des Deutschdidaktikers, der vor zwei Jahren eine ähnliche Enquete organisiert hatte: Da gibt es etwa die Idee, nach französischem Vorbild ein Fach Literatur in der Volksschule zu schaffen, Deutsch mehr Stunden zu widmen oder das Fach in der Oberstufe in „Deutsch und Literatur“ umzubenennen. Kritisiert wird das Bestreben, für alles abprüfbare Kompetenzen zu definieren. Das sich in der – standardisierten und kompetenzorientierten – Matura spiegle.

Konkret haben vor allem die Autoren schon seit Beginn immer wieder die literarischen Beispiele bei der Reifeprüfung kritisiert. Bei manchen würden Kontextinformationen fehlen, bei anderen seien diese wiederum im Überfluss vorhanden. Teils seien die Aufgabenstellungen infantilisierend, und oft würden Maturanten (und auch ihre Lehrer) bei der Analyse von literarischen Texten massiv bevormundet und in mitunter zweifelhafte Richtungen gedrängt.

Andererseits sehen alle Experten Spielraum bei der Quantität. Laher meint etwa, dass zwei von drei der Aufgaben, aus denen die Schüler wählen können, literarisch sein könnten und nicht wie derzeit bloß eine. Wintersteiner empfahl dem Bildungsministerium schon früher, dass die Literatur nicht nur eine halbe Aufgabe ausmachen solle – jedes der drei Aufgabenpakete besteht aus zwei unabhängigen Teilen –, sondern eine ganze. Und der Germanist Werner Michler stellte bei der Enquete in den Raum, ob Literatur bei der Matura verpflichtend sein könnte – denn aktuell weichen viele Maturanten der Literaturfrage aus.

Kein Handlungsbedarf?

Eine verpflichtende Literaturfrage bei der Reifeprüfung wird es in absehbarer Zeit aber wohl nicht geben. Größere Änderungen habe man in Deutsch nicht vor, heißt es aus dem Bildungsministerium von Heinz Faßmann (ÖVP). Man sei zwar laufend dabei, Nachjustierungen vorzunehmen, aber: „Den großen Handlungsbedarf sehen wir aktuell nicht“, sagt Generalsekretär Martin Netzer zur „Presse“.

Was die Kritik der Autoren und Germanisten angeht, will man sich vor allem dem Unterricht widmen. Hier gibt es jedenfalls einiges Potenzial für Auseinandersetzungen: Denn die geplante Lehrplanreform soll noch stärker auf (grundlegende) Kompetenzen abstellen. Die Befürchtung: Das könnte (wieder) auf Kosten der Literatur gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2018)

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