Weniger Lehrer: Neuer Zwist zwischen Wien und Bund

120 Lehrer weniger als im Vorjahr gibt es in Wien – aber laut Ministerium 1000 mehr als 2014.
120 Lehrer weniger als im Vorjahr gibt es in Wien – aber laut Ministerium 1000 mehr als 2014. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wien muss mit 120 Lehrern weniger auskommen. Das sei auch wegen Islamismus und Gewalt ein Problem.

Wien. Im jüngsten Schlagabtausch um die Lehrer führen inzwischen auch hohe rote Lehrervertreter ins Treffen, was zuletzt Ex-Gewerkschafterin Susanne Wiesinger öffentlich anprangerte: die schleichende Islamisierung der Gesellschaft – neben Gewalt eines der Probleme, denen man sich in den Wiener Schulen laut dem obersten SPÖ-Lehrervertreter Thomas Bulant inzwischen nicht mehr so gut widmen könne.

Unisono mit SPÖ-Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky kritisiert Bulant via ORF, dass der Bund an den Wiener Pflichtschulen dieses Jahr 120 Lehrerposten weniger finanziert als im Jahr zuvor. Obwohl die Zahl der Schüler um rund 1300 gestiegen sei, gebe es für die Volksschulen und Mittelschulen nun weniger Lehrer – nämlich rund 11.730 statt zuletzt 11.850. „Die Bundesregierung kürzt dort, wo es eigentlich mehr bräuchte“, sagte der Bildungsstadtrat.

Im Bildungsministerium von Heinz Faßmann (ÖVP) wundert man sich zunächst über den Zeitpunkt der Kritik aus Wien: Die Rahmenbedingungen seien seit über einem halben Jahr bekannt – und gemäß dem Schüleranstieg sei auch die Anzahl der Lehrer entsprechend erhöht worden. Das stimmt – allerdings gibt es in Wien dennoch weniger Lehrer als im Vorjahr. Die Streichung des sogenannten Integrationstopfs, der im Zuge der Flüchtlingskrise eingeführt worden war, erklärt das Minus von 120 Lehrerposten, wie man auch im Bildungsministerium gegenüber der „Presse“ bestätigt.

Dass diese Ressourcen nicht verlängert worden sind – was Wien schon früher heftig kritisiert hat –, hat das Bildungsministerium bereits mehrfach damit erklärt, dass sie eben ein Sondertopf gewesen seien, der speziell für die Herausforderung auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise diente. Verglichen mit der Zeit vor der Flüchtlingskrise sei die Zahl der Planstellen für die Wiener Pflichtschulen um mehr als 1000 gestiegen, die Zahl der Schüler um rund 10.000 (siehe Grafik).

„Mit dem Finger auf die Stadt zeigen“

Was Czernohorszky besonders kritisiert, ist, dass aktuell auch Stellen für die Sprachförderung gestrichen worden seien: Bei den Wiener Kindern werde offenbar gezielt gespart, „um dann wieder mit dem Finger auf die Stadt zu zeigen, wenn es Probleme gibt“. Auch hier hat das Bildungsministerium zumindest eine andere Interpretation: Ein direkter Vergleich der Ressourcen sei schwierig, denn mit den (in Wien besonders umstrittenen) Deutschklassen habe man die Förderung auf ein komplett neues – und effizienteres – System umgestellt.

„Uns rennen die Lehrer davon“

Der oberste Lehrergewerkschafter, Paul Kimberger, sieht das ein wenig anders. „Unter dem Strich stehen jetzt weniger Ressourcen zur Verfügung als vorher, und das ist natürlich für die große Herausforderung der Sprachförderung kontraproduktiv.“ Vor allem, weil es ja nicht nur um jene Kinder gehe, die frisch ins Land kämen. Von dieser Kürzung betroffen seien vor allem die Zentralräume – neben Wien auch Linz und Graz.

Kimbergers Wiener Gewerkschaftskollege Thomas Krebs wiederum sieht ein anderes Kernproblem: „Wir müssen die Leute überhaupt einmal dazu bringen, in Wien unterrichten zu wollen.“ Es gebe unbesetzte Posten, wöchentlich würden mehrere Kollegen ihr Dienstverhältnis auflösen, weil andere Bundesländer ihnen attraktivere Arbeitsbedingungen bieten würden. „Uns rennen buchstäblich die Leute davon.“

Die Arbeitssituation in Wien sei schwierig: große Klassen, sehr heterogene Schülerpopulation. Und was das Unterstützungspersonal – also etwa Sozialarbeiter und Schulpsychologen, aber sogar auch Schulärzte – angehe, liege vieles im Argen. Krebs fordert, dass die Stadt Wien hier unbedingt mehr Personal finanziert.

Tirol finanziert mehr Sozialarbeiter

Was das Unterstützungspersonal angeht, übt auch der Bund Kritik, zum wiederholten Mal: Wien finanziere bei den Sozialarbeitern kein eigenes Personal, sondern setze auf 25 bundesfinanzierte Lehrplanposten – 20 weitere von der Stadt hat Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) vor zwei Wochen angekündigt. Tirol finanziere dagegen laut Bildungsministerium bei lediglich einem Fünftel der Schüler 40 Sozialarbeiter.

Ein anderer Vorschlag Faßmanns könnte dagegen manchen sauer aufstoßen. Wien habe wegen seiner großen Klassen ohnehin mehr Flexibilität beim Lehrereinsatz – anders als andere Bundesländer, die viele kleine Schulen in ländlichen Gebieten haben: Rund 1100 Lehrer könnte die Bildungsdirektion in Wien flexibel einsetzen – und etwa an Brennpunktschulen versetzen. (beba)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2019)

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