Landeshauptleute: Attacke auf "zentralisierte" Schule

Landeshauptleute Attacke zentralisierte Schule
Landeshauptleute Attacke zentralisierte Schule(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
  • Drucken

Tagung am Mittwoch: Die Länder wappnen sich mit einem Gutachten für die nächste Runde im Konflikt um die Zuständigkeit für die Lehrer. Erwin Pröll sieht neuen Pisa-Test als Maßstab.

Wien. Es ist ein deftiges Gutachten, mit dem die Landeshauptleute am Mittwoch bei ihrer Tagung in Langenlois Stimmung gegen den Bund – und für eine „Verländerung“ der Schulverwaltung – machen wollen. Unter dem Titel „Alle Neune – gute Gründe für einen modernen Föderalismus“ reitet das Institut für Föderalismus im Auftrag der Landeschefs heftige Attacken gegen die „Zentralisten“. „Man hätte eigentlich glauben können, der Zusammenbruch der sozialistischen Regime in Osteuropa habe ausreichend veranschaulicht, wohin der Zentralismus in letzter Konsequenz führt“, heißt es in dem der „Presse“ vorliegenden Papier, das in der „Beratungsunterlage“ als erster Tagesordnungspunkt geführt wird.

Gegen Begriff „Landesfürsten“

Der moderne Föderalismus sei nicht nur „bürgernah, effizient, demokratisch und innovativ“, sondern ein „Motor für mehr Vielfalt“, so die Einschätzung des Instituts, das – wenig überraschend – von den Ländern finanziert wird. Der Zentralismus hingegen „leidet daran, dass er die unterschiedlichen Verhältnisse und Vorstellungen nicht berücksichtigen kann, die in den Ländern herrschen“.

Die Vorwürfe, die den „Landesfürsten“ – auch dieser Begriff wird heftig kritisiert – gemacht würden, seien allesamt unwahr: So sei Föderalismus nicht etwa teuer, sondern im Gegenteil günstiger als eine zentrale Verwaltung: Der Anteil der Länder an der Gesamtverschuldung des Staates betrage gerade einmal fünf Prozent, demgegenüber seien 90Prozent der Gesamtverschuldung Bundesschulden, so die Argumentation.

Die Länder seien zudem ein Garant für weniger – nicht mehr – Bürokratie. Kostentreiber sei vielmehr der Bund: „Wir haben in Österreich mehr Bundesbedienstete, als dies in anderen föderalen Staaten üblich ist. Die Ministerien haben mehr Bedienstete als in vergleichbaren föderalen Staaten“, heißt es in dem Papier. Auch hätten aufwendige Zentralisierungen in Österreich in den vergangenen Jahren allesamt zu mehr Bürokratie geführt. Dennoch gebe es „so gut wie keine Kompetenz, die die Zentralisten nicht beim Bund wissen wollen.“

Auch das Image der Blockierer habe man den Landeschefs zu Unrecht umgehängt, heißt es in dem Papier. Es gebe von Länderseite „zahlreiche Vorschläge zu Reformen“. Einmal mehr seien es die „zentralistischen Kräfte“, an denen etwa eine „auf gleicher Augenhöhe verhandelte Bundesstaatsreform“ scheitere. Auch könnten, wie es an anderer Stelle heißt, für „schlechte internationale Vergleichswerte Österreichs etwa in der Bildungspolitik“ angesichts der bestehenden Zentralisierung des Bildungswesens „die Länder nur zu allerletzt verantwortlich gemacht werden“.

Letztere ist wohl eine der Kernaussagen des Gutachtens, dem Kritiker jede Wissenschaftlichkeit absprechen: Zu lesen ist es vor allem vor dem Hintergrund des sich zuspitzenden Konflikts um die Schulverwaltung zwischen Bund und Ländern und in der Koalition (siehe auch nebenstehenden Bericht). Die ÖVP-geführten Länder wollen alle Verwaltungskompetenzen – etwa beim Dienstrecht – an sich ziehen. Seit Freitag wissen sie ÖVP-Chef Josef Pröll hinter sich.

Warnung für Schmied und Lehrer

SPÖ-Unterrichtsministerin Claudia Schmied hält dagegen. Sie bekam am Samstag Unterstützung von Bundeskanzler Werner Faymann, der den Kompetenzstreit kurzerhand für „beendet“ erklärte.

Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptmann Erwin Pröll reagierte laut „ZiB“ mit Kritik: Die im Dezember vorliegende neue Pisa-Studie werde ein Urteil über Ministerin Schmied und die Bundeslehrer abgeben.

Auf einen Blick

Am Mittwoch tagen die Landeshauptleute unter ihrem derzeitigen Vorsitzenden, Erwin Pröll (ÖVP), in Langenlois. Die Länder haben sich für den Streit um die Verwaltungs- und Schulreform mit einem Gutachten gerüstet. Am Freitag haben die ÖVP-Landeschefs mit Vizekanzler Josef Pröll ihre Linie ausgegeben: Die Länder sollen für alle Lehrer die Verwaltung übernehmen, der Bund solle die Bildungsziele vorgeben. Kanzler Werner Faymann lehnt das ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Lehrerstreit Voves Kompromissvorschlag
Schule

Lehrerstreit: "Auf höchster Ebene verhandeln"

Die Landeshauptleute halten die Schuldebatte am Köcheln. Franz Voves bringt einen Kompromiss ein. Die Frage soll mit Kanzler, Vize und Ministerin verhandelt werden.
Schule

Experte: Bildungsdirektionen "fast Geschmacksfrage"

Wichtigster Grundsatz in der Schuldebatte laut Verfassungsrichter Lienbacher: Aufgaben- und Ausgabenverantwortung müssten gekoppelt werden, damit derjenige, der entscheidet, auch dafür zahlt.
Schmied Karl fuer mehr
Schule

Schmied und Karl für mehr Schulautonomie

Unterrichtsministerin Schmied tritt weiter für Bundeskompetenz im Schulbereich ein, Wissenschaftsministerin Karl für einen "wohldurchdachten Föderalismus" und mehr Autonomie für die Standorte.
Innenpolitik

Schule: Prölls Kniefall oder Erfolg über Länder?

Was trieb Josef Pröll zum Schulterschluss mit den VP-Landeshauptleuten? Pröll glaubt inhaltlich im Gegensatz zu den meisten Bildungsexperten des Landes tatsächlich an die neue ÖVP-Linie.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.