Ein karenzierter Schuldirektor als ewiger Störenfried

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karenzierter Schuldirektor ewiger Stoerenfried(c) APA
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Der grüne Bildungssprecher Harald Walser liebt das laute Auftreten. Er formuliert gerne scharf, Polemik ist ihm nicht fremd. Die heimische Schulpolitik hat einen wie ihn verdient.

Sollten die Grünen im Bund je in eine Regierungskoalition eintreten, wäre er wohl einer derjenigen, die am meisten zu leiden hätten: Obwohl Harald Walser (zumindest in grünen Kreisen) als durchaus ministrabel gilt, liegt ihm eine Rolle am meisten. Die des Oppositionspolitikers. Walser, der seit 2008 für die Grünen als Bildungssprecher im Nationalrat sitzt, ist vor allem eines: dagegen.

Wenn Harald Walser ausreitet, um für die „grüne Schule“ zu werben – Motto: „Kein Kind zurücklassen“ –, dann ist ihm der Gegner weitestgehend egal. Besonders oft trifft es die schwarzen Lehrergewerkschafter, mit denen er als Vorarlberger Lehrer und Schuldirektor schon früh Bekanntschaft machte. Der Gewerkschaft wirft er – unter anderem – vor, die Dienstrechtsverhandlungen zu blockieren und Bildungsgerechtigkeit zu verhindern. Doch auch Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) kann sich – trotz ideologischer Nähe – nicht vor Walser sicher fühlen. Selbst wenn die Ministerin von Zeit zu Zeit „linke“ Bildungsideen tatsächlich umsetzt, kommt von Walser zumeist umgehend Kritik. Die Reformen, sagt Walser dann, gingen nicht weit genug oder seien Mogelpackungen. Bei der Neuen Mittelschule würden die Lehrer fehlen, die Zentralmatura sei zu schlecht kommuniziert und das Modulsystem in der AHS-Oberstufe überhaupt falsch konzipiert, heißt es dann in seinen Gastkommentaren und Presseaussendungen.

Gegen „Filz“ und Proporz

Das Dagegen-Sein hat Walser überhaupt erst zur Politik gebracht. „Die Grünen sind in Vorarlberg – im Gegensatz zur SPÖ – als einzige gegen Schwarz-Blau aufgetreten“, erklärt er sein Engagement. An den Grünen gefalle ihm zudem, dass „sie die Einzigen sind, die nicht Teil des Filzes sind und nichts mit dem Nachkriegskonzept von Postenvergabe und Proporz zu tun haben“. Die ÖVP bezeichnet er gerne mal als „nervige, konservativ-reaktionäre Bewegung“. Als Lehrer trat er daher 1978 auch der unabhängigen „LehrerInnen Initiative Vorarlberg“ bei. Seit 2003 ist er Direktor am Gymnasium in Feldkirch, seit 2008 ist er karenziert. Heute pendelt der Vater zweier Söhne und passionierte Fußballer zwischen Wien und Altach.

Walser formuliert gerne scharf, Polemik ist ihm nicht fremd. Für Aktionismus ist sich der grau melierte 59-Jährige nicht zu schade. Und das Wort Kompromiss findet sich in seinem Wortschatz nur mit dem Zusatz „faul“. In seinem Element ist Walser, wenn es gegen seinen erklärten Intimfeind Eckehard Quin, den obersten AHS-Gewerkschafter, geht. Via Blog-Einträgen richten einander die beiden allerlei Unverschämtheiten aus. Walser wirft Quin dann schon mal vor, Parteipolitik „auf tiefstem Niveau“ zu betreiben und das Ansehen der AHS-Lehrer zu schädigen. Dieser bezichtigt Walser, die Lehrer zum Rechtsbruch aufzufordern.

Besonders gern hat Walser Skandale. Dann schlägt der Vorarlberger in ihm durch – Walser rechnet, tüftelt und blättert nach, bis er den Fehler im System gefunden hat. Sein jüngster Coup: Er deckte ein „Spitzelsystem“ im niederösterreichischen Landesschulrat auf. Aber auch über zu hohe Zahlungen an Privatschulen und falsch eingesetzte Lehrer kann er sich ereifern. Ein Hang zur Verschwörungstheorie gehört dazu.

Der nächste Unterrichtsminister?

Sein lautes Auftreten ist dabei seine Stärke – und seine Schwäche zugleich. Walser nervt. Und zwar so ziemlich jeden. Er ist ein Störenfried. Darunter leiden mitunter die Inhalte seine Botschaften. Wenn jemand ständig schreit, dann will man ihm irgendwann nicht mehr zuhören.

Allerdings: Man sollte ihm zuhören. Walser punktet durch Fachkundigkeit, er ist nicht nur politisch versiert, sondern kennt durch seine Tätigkeit in der Klasse – er ist studierter Historiker – und als Direktor den Betrieb von innen. Er ist der einzige Bildungssprecher einer Oppositionspartei, der einer breiteren Öffentlichkeit überhaupt als solcher bekannt sein dürfte. Er ist gut vernetzt, hat viele Kontakte zu Lehrern. Wenn Walser Zahlen vorlegt, tut er das zwar kaum ohne ideologisches Beiwerk. Falsch sind sie aber selten.

Und: Dass Walser manchmal zu laut wird, liegt wohl auch an der verkrusteten Schulpolitik. Oft bleibe da eben nur „das tagespolitische Hickhack“, kritisiert er selbst. Dieses, so Walser, gehe ihm „oft gegen den Strich“.

Das Bild vom reinen Oppositionspolitiker gefällt ihm selbst übrigens weniger. Der Posten des Unterrichtsministers würde ihm gefallen. „Ich kann nicht jahrelang auf Reformen drängen und dann die Gelegenheit zur Umsetzung nicht wahrnehmen, wenn sie sich bieten würde“, sagt Walser. Und: Einmal eine gestaltende Aufgabe zu haben, wäre schön – das liege ihm ohnehin mehr.

Zur Person

Harald Walser sitzt seit 2008 für die Grünen als Bildungssprecher im Nationalrat. Der 59-jährige Vorarlberger war zuvor als Lehrer und (ab 2003) als Direktor am Gymnasium Feldkirch tätig. Walser beteiligte sich zuletzt auch an der Debatte um die Krypta am Wiener Burgtor. Den Heldenplatz nannte er einen „Spielplatz für Ewiggestrige“ – und forderte ein Denkmal für Deserteure aus der Wehrmacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2012)

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