PISA: Wenn ein Test an den Schülern scheitert

PISA Wenn Test Schuelern
PISA Wenn Test Schuelern(c) APA (Helmut Fohringer)
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Die OECD zweifelt selbst an der Aussagekraft der österreichischen PISA-Ergebnisse. Statistisch gebe es keine Einwände, kontert Bifie-Chef Haider. Ministerin Schmied verkündete, PISA dennoch „sehr ernst“ zu nehmen.

Wien. Letzten Endes scheint der Boykott des PISA-Tests, den die Schülervertreter angezettelt haben, doch noch von (zweifelhaftem) Erfolg gekrönt. Die OECD, die den Test in 65Ländern durchführt, gab am Mittwochabend bekannt, die österreichischen Ergebnisse am 7.Dezember „nur mit Vorbehalt“ zu berichten. Von einem Vergleich der Leistungen mit den Vorjahren sei „abzusehen“.

Der Grund: Im Zuge des Streits um zwei Stunden Mehrarbeit für die österreichischen Lehrer hatten die ÖVP-nahen Schülervertreter im Vorjahr zum Boykott des Tests aufgerufen. Die Schüler sollten die Aufgaben schlicht nicht beantworten, so der Aufruf per offenem Brief. Die Forderung der Schüler: Die Ministerin müsse endlich „Maßnahmen zur innerschulischen Qualitätssicherung“ treffen, anstatt eine „nicht repräsentative Studie“ durchführen zu lassen. Nicht zuletzt ging es den Schülern darum, die damals geplante Abschaffung der schulautonomen Tage zu verhindern.

Auch die Lehrergewerkschaft hatte mehrfach gedroht, die Studie zu kippen. Sie konnten sich mit der Ministerin allerdings rechtzeitig einigen – die Schülervertreter nicht: Mehr als 200 Schüler beantworteten die Fragen nach dem Zufallsprinzip oder gar nicht.

Intervenierte die Ministerin?

Ihre Testbögen wurden nach Absprache mit der OECD entfernt. An acht Schulen, an denen mehr als ein Viertel den Test – der insgesamt 1,6 Millionen Euro kostete – nicht ordnungsgemäß ausfüllte, wurden aus „kosmetischen“ Gründen auch die Bögen der übrigen Schüler nicht in die Wertung genommen. Beim Bifie (Bundesinstitut für Bildungsforschung) zeigte man sich anfangs mit dem Rücklauf zufrieden: Die Testungen liefen von 15. April bis 20. Mai, der Boykott nur von 15. bis 23. April.

Die OECD spricht in ihrer aktuellen Aussendung nun dennoch von einer „negativen Grundstimmung“, die den Test verfälschen könne. Dass die OECD ein Länderergebnis vorab kommentiert, ist ein Sonderfall. Und lässt nicht zuletzt darauf schließen, dass die Leistungen der heimischen Schüler deutlich schlechter sind als in den Vorjahren.

Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) verkündete, PISA dennoch „sehr ernst“ zu nehmen. Kritiker der Ministerin munkeln, diese sei eigens mit dem PISA-Experten der OECD, Andreas Schleicher, zusammengetroffen, um dort selbst zu erwirken, dass das Österreich-Ergebnis aussageschwach präsentiert werde.

„Haben alle Kriterien erfüllt“

Im Bifie ist man um Schadensbegrenzung bemüht: Wissenschaftlich seien die Ergebnisse einwandfrei, sagt Bifie-Direktor Josef Lucyshyn zur „Presse“. Das habe der wissenschaftliche Beirat bestätigt. Die Qualitätsvorgaben der OECD schreiben vor, dass pro Land mindestens 150 Schulen sowie 4500 Schüler teilnehmen müssen, wobei maximal 35 Schüler pro Schule getestet werden dürfen. Außerdem muss die Ausschöpfung auf Schulebene mindestens 85 Prozent, jene auf Schülerebene mindestens 80 Prozent betragen. Beide Kriterien habe Österreich erfüllt. 6590 Fragebögen konnten für die Auswertung letztendlich tatsächlich verwendet werden.

„Es wäre fatal, die Daten nicht ernst zu nehmen und sich aus der Debatte davonzuschleichen, nur weil es vielleicht negative Effekte gab, die niemand beweisen kann“, so Lucyshyn. Claudia Schreiner, Standortleiterin des Bifie Salzburg, ist nicht ganz dieser Meinung: Man müsse sich zumindest die Frage stellen, inwieweit eine „bildungspolitische Trauerstimmung“ die Leistung beeinflussen kann.

Eine Frage bleibt offen: Wie relevant sind die PISA-Ergebnisse für Österreich tatsächlich? „Eigentlich müssten sie diese Frage der OECD stellen“, sagt Schreiner. Für den zweiten Bifie-Chef, Günter Haider, ist es „zumindest beunruhigend“, dass der Lehrerstreit zum Motivationsverlust geführt haben könnte. „Das könnte das Bild Österreichs in anderen Ländern negativ prägen“, so Haider.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2010)

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