Türkei: Unterfinanziert, unflexibel

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Schule vermittelt Ideologie: das Interesse an den Schulen ist riesig, wenn es darum geht, Ideologien zu vermitteln. PISA ist kein Thema. Die Ausstattung der Schulen ist dürftig, Lehrer werden schlecht bezahlt.

Am Montagmorgen beginnt die Woche mit der Nationalhymne. Dann tritt wie jeden Tag ein Kind vor und sagt den Eid, den die anderen Kinder nachsprechen: „Ich bin Türke, ich bin wahrhaft, ich bin fleißig. Meine Existenz soll ein Geschenk für die türkische Existenz sein.“ Das Interesse an den Schulen ist riesig, wenn es um die Vermittlung von Normen und Ideologien geht. Darüber hinaus wird versucht, so wenig Geld wie möglich auszugeben: Lehrer werden schlecht bezahlt. Die Ausstattung der Schulen ist dürftig, das Geld wird teilweise von den Eltern eingetrieben.

Ohne Zahlung kein Zeugnis

In ärmeren Landesteilen gibt es Klassen, in denen mehr als 50 Schüler sitzen, zu dritt gedrängt auf Bänken für zwei Schüler. In der 7. und 8. Klasse finden strenge Prüfungen statt. Dafür büffeln Schüler zusätzlich in privaten Hilfsschulen. Jene Familien, die sich das nicht leisten können, geben auf. Die Schulpflicht beträgt acht Jahre.

Die Prüfungen entscheiden, ob jemand eine Berufsschule, ein normales Gymnasium oder Anadolu Lisesi besuchen kann. Die letzte Kategorie ist die Elite der staatlichen Schulen. Der Lehrplan ist durch jährlich wechselnde, starre Vorgaben geprägt. Die Freiheit, auf den Wissensstand ihrer Schüler Rücksicht zu nehmen, haben die Lehrer nicht. Auf sprachliche Probleme kurdischer Schüler wird keine Rücksicht genommen.

Die PISA-Studie, bei der die Türkei in allen drei Kategorien auf dem drittletzten Platz gelandet ist, ist in der Türkei gar kein Thema. Dafür läuft eine Debatte über das Kopftuch an den Schulen und das Pflichtfach Religion. Jan Keetman

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2010)

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