Sitzenbleiben wird weitgehend abgeschafft

Schule Regierung beschliesst erstes
Schule Regierung beschliesst erstes(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Ein Fahrplan für Schulreformen bis zum Sommer ist beschlossen. Ab 2012 soll es in der Oberstufe ein Kurssystem geben. Bis spätestens 2016 sollen alle Hauptschulstandorte als NMS geführt werden.

Die Koalition hat sich heute, Dienstag, im Ministerrat grundsätzlich auf die weitgehende Abschaffung des Sitzenbleibens geeinigt. Ab dem Schuljahr 2012/13 sollen AHS und berufsbildende mittlere und höhere Schulen (BMHS) stufenweise auf ein flexibles Kurssystem umgestellt werden, Klassenwiederholungen soll es "nur noch als ultima ratio" geben, wie VP-Bildungssprecher Werner Amon in einer Aussendung erklärte.

Bis zum Sommer will man die Details des Stufenplans ausarbeiten und einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegen, hieß es aus dem Unterrichtsministerium. Derzeit werden Schulversuche mit einem solchen Modulsystem an Abendschulen evaluiert und mögliche Modelle verhandelt.

Sechs Reformmaßnahmen

Das Kurssystem für die Oberstufe ist eine von sechs Reformmaßnahmen, die die Regierung bis zum Sommer ausarbeiten will und die für Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) "einen Qualitätsschub" bringen sollen.

Als ein zentrales Projekt bezeichnete Amon die Umsetzung der Neuen Mittelschule (NMS). Laut Unterrichtsministerium besteht zwischen den Koalitionspartnern Einigkeit, bis spätestens 2016 alle Hauptschulstandorte als NMS zu führen. Mit Auslaufen der letzten Hauptschulklasse 2019/20 soll es dann keine Hauptschulen mehr geben.

Weiters sollen Schulen, die ihre Klassen umstellen wollen und dafür die nötigen Qualitätskriterien erfüllen, nicht an der Zehn-Prozent-Beschränkung für NMS-Schulversuche scheitern. Bis zum Sommer sollen jedenfalls die Finanzierung und Rechtssicherheit der Umstellung sowie die konkreten Qualitätsstandards geklärt werden.

Mehr Ganztagsangebote

Der Arbeitsplan umfasst weiters den Ausbau von Ganztagsangeboten; jährlich sollen dafür 80 Millionen Euro an Offensivmitteln zur Verfügung gestellt werden. Die Integration von Schülern mit besonderen Bedürfnissen oder sonderpädagogischem Förderbedarf nach der achten Schulstufe soll erweitert werden. Ab 2012/13 sollen dazu die bereits bestehenden Schulversuche an Polytechnischen Schulen ausgebaut und einjährige Haushaltungsschulen miteinbezogen werden.

Auch eine stärkere Mitbestimmung der Schulpartner (Schüler, Eltern) soll umgesetzt werden. Ebenfalls im Bildungsfahrplan enthalten der Plan, die Polytechnische Schule "attraktiver" zu gestalten. Die ÖVP hatte zuvor in ihrem Bildungskonzept die verpflichtende Mittlere Reife am Polytechnikum vorgeschlagen.

Von der Koalition vereinbart

Ausbau der Neuen Mittelschule: Stufenplan bis 2016
Schulische Tagesbetreuung: Gesetzespaket für Ausbau bis 2014
Oberstufe NEU/Kurssystem: Stufenplan ab Schuljahr 2012/13
Neuorientierung 9. Schulstufe: Attraktivierung der Polytechnischen Schule
Integration nach der 8. Schulstufe ab Schuljahr 2012/13
Stärkung der Schulpartnerschaft

Neues Profil für Direktoren

Drei Gesetzesvorlagen wurden bereits am Dienstag beschlossen. So soll das Dienstrecht für Landeslehrer novelliert werden, um deren Mitverwendung an Bundesschulen (AHS, BMHS) zu erleichtern, was für die Umsetzung der NMS wichtig ist ("Die Presse" berichtete). Schulinspektoren sollen zu "Qualitätsmanagern" werden ("Die Presse" berichtete).

Auch die Direktoren bekommen ein neues Arbeitsprofil. Zu ihren konkreten Aufgabenbereichen sollen künftig "Schulleitung und -management", "Qualitätsmanagement", "Schul- und Unterrichtsentwicklung", "Führung und Personalentwicklung" sowie "Außenbeziehungen und Öffnung der Schule" gehören.

Kritik von Grünen, BZÖ und ÖH

In einer Reaktion kritisierte der grüne Bildungssprecher Harald Walser die Pläne der Regierung als "Etikettenschwindel": "Die Hauptschule heißt künftig Neue Mittelschule, sonst bleibt alles beim Alten", so Walser. Die Österreichische Hochschülerschaft kritisierte die Reformpläne als "zu zaghaft". Das Kurssystem müsse in allen Schulstufen eingeführt werden. Die Neue Mittelschule könne nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zur gemeinsamen Schule für alle 6- bis 14-Jährigen sein.

Präzision im Reformpaket vermisst auch BZÖ-Bildungssprecherin Ursula Haubner. Die Polytechnische Schule, die ÖVP und SPÖ "attraktiver" gestalten wollen, solle laut Haubner "endlich zu einem echten 'Berufsfindungsjahr' für jene werden, die dann eine Lehre machen wollen". Das Jahr solle "als Berufsschuljahr angerechnet werden".

(APA/Red.)

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