Dem ÖVP-Bildungspapier zufolge sollen viele Schüler mehr Zeit in den Klassen verbringen.
Wien/Rovi. Die ÖVP war bisher immer dezidiert gegen eine verpflichtende Nachmittagsschule. Und doch werden viele Pflichtschüler künftig länger in ihren Klassen sitzen müssen, wenn das neue Bildungspapier der Volkspartei verwirklicht wird. Denn darin wird Sprachförderung, individuelle Differenzierung und Förderung von Leistung mehr Raum gegeben. Die dazu nötigen zusätzlichen Stunden werden zum Großteil nach der Schlussklingel des regulären Unterrichts angesetzt. So werden zusätzliche Einheiten am Nachmittag schon für Volksschüler ein Thema. Laut ÖVP sollen künftig alle, die Deutschmängel haben, Pflichtförderkurse am Nachmittag besuchen.
„Nachhilfe“ an der Schule
Mehr Anwesenheit wird auch in der Mittelschule verlangt. Konkret gibt es für Kinder mit etwaigen Lernschwächen ein „verpflichtendes Förderangebot“ am Nachmittag. Denn die Prüfung zur „Mittleren Reife“ in Deutsch, Mathematik, einer lebenden Fremdsprache sowie in zwei weiteren Schwerpunktfächern müssen alle Schüler bestehen, wenn es nach der ÖVP geht. Aber auch die besonders begabten Schüler bekommen Zusatzaufgaben: Für sie soll es „High Potential Groups“ geben.
Wenn Kinder den Wechsel von einer Mittelschule an ein Gymnasium planen, werden sie dafür auch am Nachmittag lernen müssen. Zwar sollen die Schultypen durch einen gemeinsamen Fächerkanon „durchlässig“ sein. Jedoch gibt es eine zweite lebende Fremdsprache an den allgemein bildenden höheren Schulen, an den ehemaligen Hauptschulen aber weiterhin nicht. Unabhängig von den Plänen der ÖVP wird es heuer einen bedarfsorientierten Ausbau der Nachmittagsbetreuung geben, für den schon in diesem Jahr 80 Mio. Euro im Budget reserviert sind. Derzeit sind 120.000 Schüler an Ganztagsschulen oder in Nachmittagsbetreuung. Die Wahlfreiheit soll bleiben. Aber eben nur, wenn die Leistung stimmt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2011)