Archäologie, oder: Studieren wie Indiana Jones

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Archäologie ist ein Knochenjob. Nicht wegen der Verfolgungsjagden, sondern weil man sich mit Eigeninitiative Spezialwissen „für eh alles“ aneignen muss und Ausgrabungen kein Bürojob sind.

Dr. Henry Walton Jones. Was hat dieser Mann mit der österreichischen Studienlandschaft zu tun? Herzlich wenig, ist er doch eine fiktive Person, die als Indiana Jones die Kinowelt in Atem hält. Trotzdem gibt es Studenten in Österreich, die sich von „Indy“ Jones, der seit den 1980er-Jahren das Klischee des Archäologen prägt, bei der Auswahl des Studiums inspirieren ließen.

„Ich bin ein ziemlicher Fan von „Indiana Jones“-Filmen, und das war mit ein Grund, das Studienfach zu wählen“, sagt Julius Fischer, der klassische Archäologie an der Uni Wien inskribiert hat: „So spannend wie im Film geht es natürlich nicht zu. Heutzutage kämpft man äußerst selten gegen Nazis oder den KGB.“

Diesen Schluss zieht auch die Leiterin der Stadtarchäologie Wien, Karin Fischer Ausserer: „Mit dem Vorbild von Indiana Jones oder Dr. Fox aus „Relic Hunter“ – und von beiden bin ich ein großer Fan – denkt man, dass Archäologen täglich die Schätze der Welt entdecken. Doch spätestens nach der ersten Vorlesung an der Universität verliert man dieses Bild. Archäologie ist knochenharte Arbeit, kein Abenteuer.“

Römer und Griechen erforschen

Auch Mitmenschen, die einen fragen, ob man sich als Archäologe super mit den Dinosauriern auskenne oder etwas von der Kultur der Inka erzählen könne, sind enttäuscht, wenn man erklärt, worum es beim Studium der klassischen Archäologie wirklich geht. „Unser Zeitrahmen ist das zweite Jahrtausend vor Christus bis zum fünften Jahrhundert nach Christus“, erklärt Fischer Ausserer. Geografisch umfasst das Revier der klassischen Archäologen den Mittelmeerraum und angrenzende Gebiete. „In erster Linie fallen die Römer und die Griechen in das Fach.“

Bisher war das Studium in zwei jeweils vier Semester dauernde Abschnitte gegliedert. Der erste gibt einen Überblick über die Epochen der antiken Kultur- und Kunstgeschichte und vermittelt methodische Ansätze. Im zweiten Abschnitt werden das wissenschaftliche Arbeiten und die praktischen Methoden vertieft.

Seit heuer kann man in Wien auch ein Bachelorstudium wählen, dem dann ein aufbauendes Masterstudium folgt. „Wie dies in der Berufswelt angenommen wird, steht noch in den Sternen“, meint Fischer Ausserer.

Archäologen, die Universalgenies

Normalerweise kommen Archäologen im Bundesdenkmalamt oder in den Stadtarchäologien der Bundesländer unter. Auch das Österreichische Archäologische Institut (ÖAI) und diverse Museen brauchen Archäologen. Ansonsten gibt es auch kuriose Karrieren, die im Endeffekt nichts mit Archäologie zu tun haben, die aber die Fähigkeiten des „Spezialisten für eh alles“ gut einsetzen können.

„Ich sehe den Archäologen als Universalgenie“, sagt Fischer Ausserer. Denn wer auf einer Grabung arbeitet, sollte von Materialwissenschaften ebenso viel Ahnung haben wie von Geologie, Zoologie und Anthropologie. Schließlich muss man wissen, wie man mit dem gefundenen Glas, Metall, der Keramik oder Tier- und Menschenknochen umzugehen hat, was der Fund bedeutet und welche Geschichte die jeweilige geologische Schicht erzählt. Hinzu kommt der Umgang mit Computern.

Was früher mit Bleistift auf Millimeterpapier dokumentiert wurde, wird heute über elektronische Vermessungssysteme erledigt, deren Software man ebenso beherrschen muss wie die Auswertung der Daten und im Weiteren die 3-D-Visualisierung der kostbaren Funde.

Student Markus Jandl betont, dass man auch erst lernen muss, was wirklich ein Fund ist und was nicht: „Anfangs verwechselt man einfache Steine mit wertvollen Scherben.“ Zwar absolviert man im Studium mehrere Bestimmungsübungen, doch dort sind die Gegenstände gesäubert und gut erkennbar. Im „Dreck“ der Grabung sieht es anders aus (siehe Artikel unten). Jandl selbst hat sich nicht von Indiana Jones inspirieren lassen, als er das Studium wählte: „Wenn man wie er arbeiten würde, wäre die Überlebensrate der Archäologen gering.“

Er wusste von klein auf, dass er ausgraben will, und inskribierte Ägyptologie und klassische Archäologie: „Ich dachte, die spannendsten archäologischen Dinge lägen in Ägypten. Aber mit der Zeit bin ich draufgekommen: Warum sollte ich so weit schweifen, wenn das Gute so nah liegt?“

Die Geschichte Österreichs sei nämlich auch nicht zu verachten. Tausende Völker sind hier durchgezogen und hinterließen ihre Spuren. Bei den etwa 20 Grabungen, an denen Jandl bisher beteiligt war, konnte er durch alle Zeiten von der Altsteinzeit bis hin zur Neuzeit graben.

Stammtisch im Wiener Brauhaus

Diese sind übrigens dem Institut für Ur- und Frühgeschichte zugeordnet: „Die Trennung der beiden Institute ist künstlich und geht auf alte monarchische Strukturen zurück.“ Während die griechische und römische Geschichte vom Institut für klassische Archäologie behandelt wird, umfasst die Ur- und Frühgeschichte die europäische Prähistorie sowie die Mittelalterarchäologie. Die Trennung stört kaum einen Studenten.

Davon kann man sich überzeugen, wenn man im Fischerbräu (Wien-Döbling) den Archäologenstammtisch besucht: Dort sitzen Ur- und Frühgeschichtler gemeinsam mit klassischen Archäologen bei hochgeistigen Diskussionen und Getränken.

AUF EINEN BLICK

Klassische Archäologie wurde bisher in Wien als achtsemestriges Magisterstudium angeboten. Seit heuer kann man in einem ersten Schritt seinen Bachelor, danach den Master machen.

Das Berufsbild des Archäologen erfordert jedoch viel mehr, als im Studium vermittelt wird. Um auf einer Grabung arbeiten zu können, sollte man zudem von Materialwissenschaften, Geologie, Zoologie und Anthropologie Ahnung haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2008)

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