Medizin-Test: "Bislang wurden Männer bevorzugt"

Medizintest Bislang wurden Maenner
Medizintest Bislang wurden Maenner(c) Clemens Fabry
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Die Vizerektorin der Med-Uni Wien, Karin Gutiérrez-Lobos, über die genderspezifische Auswertung und das wahrscheinliche Ende des EMS-Tests.

Die Presse: Vergangenen Freitag absolvierten 4352 Bewerber den Aufnahmetest für das Medizinstudium an der Med-Uni Wien. Ist der verwendete EMS-Test die beste Art, die geeigneten Studenten und späteren Ärzte auszuwählen?

Karin Gutiérrez-Lobos: Es ist ein sehr gut abgesicherter Test. Aber: Die medizinischen Universitäten Wien, Innsbruck und Graz wollen eigentlich ein gemeinsames Aufnahmeverfahren finden.

Der EMS-Test hat also Tücken. Wo liegen die denn?

Es gibt kein Verfahren, das keine Tücken hat. Wir haben versucht, die Defizite des Tests zu kompensieren. Im Bereich der Zahnmedizin haben wir heuer deshalb einen zusätzlichen Praxistest eingeführt. Außerdem wollten wir durch die genderspezifische Auswertung für mehr Fairness sorgen.

Wie sollte ein gemeinsames Aufnahmeverfahren aussehen?

Wir wollen keinen eindimensionalen Test machen. Es sollen mehrere Items abgefragt werden. Sprich: Es darf nicht nur das Wissen überprüft werden, sondern es muss auch um kognitive Fähigkeiten und soziale Kompetenzen gehen.

Der in Graz verwendete Test setzt genau auf diese Dinge. Also auf kommunikative und soziale Fähigkeiten. Wird sich das gemeinsame Aufnahmeverfahren daran orientieren?

Wir werden gemeinsam etwas entwickeln. Wir werden schauen, wo die Vorteile und Nachteile der verschiedenen Verfahren liegen. Und wir werden alles, was sich als sinnhaft erwiesen hat, einbeziehen.

Es braucht also ein mehrstufiges Verfahren. Ist es denkbar, dass das Aufnahmeprozedere für ein Medizinstudium mehrere Tage dauern wird?

Mehrstufig muss nicht heißen, dass das Verfahren an unterschiedlichen Tagen stattfindet. Wir wollen es nicht komplizieren.

Sie haben die genderspezifische Auswertung angesprochen. Kritiker sprechen von einem Frauenbonus bzw. von Quotenärztinnen.

Erstens einmal ist es kein Bonus. Und zweitens: auch keine Quote. Was wir machen, ist etwas, das bei jedem psychometrischen Test üblich ist: Wir bilden getrennte Mittelwerte für Männer und Frauen. Und dementsprechend werden dann auch die Plätze vergeben. Diese Vorgehensweise käme durchaus auch Männern zugute, wenn diese weniger gut abschneiden würden.

Nachdem stets Frauen weniger gut abgeschnitten haben, sind es auch die Frauen, die bevorzugt werden.

Bisher sind die Männer bevorzugt worden. Wir versuchen hier einen Ausgleich zu schaffen.

Warum waren die Männer bisher bevorzugt?

Das hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Die Schulbildung spielt dabei ebenso eine Rolle wie bestehende Vorurteile, die eine Leistung beeinflussen. Es kann aber auch mit dem Design des Verfahrens zusammenhängen.

Kann es sein, dass der Test gewisse Schultypen bevorzugt? Könnte es also sein, dass Frauen schlechter abschneiden, da sie weniger häufig Schulen mit einem naturwissenschaftlichen Schwerpunkt besuchen?

Es gibt Studien, die Hinweise darauf geben.

Werden Sie versuchen, die beiden anderen Med-Unis davon zu überzeugen, eine genderspezifische Auswertung einzuführen?

Das hängt vom Design des Auswahlverfahrens ab, auf das wir uns schließlich einigen werden. Der Test wird nicht das einzige Kriterium sein. Dementsprechend relativiert sich vielleicht auch die Notwendigkeit einer Auswertung nach Geschlechtern.

Sie verkaufen die genderspezifische Auswertung als Ausgleich von Nachteilen für die Frauen. Der Anwalt der Österreichischen Hochschülerschaft bezeichnet die Maßnahme als umgekehrte und indirekte Diskriminierung. Rechnen sie mit Klagen?

Wir haben das rechtlich prüfen lassen. Unsere Prüfung hat sogar ergeben, dass wir verpflichtet sind, so einen Nachteilsausgleich vorzunehmen. Aber es steht jedem frei zu klagen.

Sie glauben also, dass Sie recht behalten?

Das werden wir sehen. Es gibt bislang noch keine Judikatur dazu.

Zur Person

Karin Gutiérrez-Lobos ist die Vizerektorin der Med-Uni Wien. Außerdem ist sie die Vorsitzende der „Taskforce für Gender & Diversity“ der Universitätenkonferenz. Diese beschäftigt sich mit Frauenförderung, Gleichberechtigung und der Rolle von Menschen mit Behinderung an den Unis. [Eva Rauer]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2012)

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