Töchterle: "Mache Schmieds Gewicht durch Erfahrung wett"

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VP-Wissenschaftsminister Töchterle erläutert, warum die pädagogischen Hochschulen zur Kooperation mit den Unis gezwungen werden - und das umgekehrt nicht der Fall ist.

Die Presse: Die Unis beklagen, dass sie bei der neuen Lehrerbildung eine „Zwangsehe“ mit den pädagogischen Hochschulen eingehen müssen. Fühlen Sie sich diesbezüglich nicht auch in einer Zwangsehe mit der Unterrichtsministerin?

Karlheinz Töchterle: Nein, das wäre unangebracht. Die Unterrichtsministerin ist für die Lehrerbildung sogar in zweifacher Hinsicht zuständig. Als Chefin der PH und als Dienstgeberin der Lehrer. Sie ist auf jeden Fall kompetent. Ich bin das auch. Ich bin nicht nur für die Unis zuständig, sondern war über Jahrzehnte in der Lehrerbildung tätig.

Hat die Meinung der Unterrichtsministerin durch ihre doppelte Zuständigkeit mehr Gewicht?

Wenn man es quantifizieren wollte, würde ich sagen, dass meine persönliche Erfahrung ihr Plus im politischen Gewicht ausgleicht.

Sind Sie enttäuscht, dass die Hauptverantwortung bei der Lehrerbildung künftig nicht bei den Unis liegen wird?

Faktisch werden die Unis zumindest in Teilbereichen ohnehin federführend sein. Und zwar dort, wo es um die Anbindung an die Forschung geht.

Heißt das nicht, dass es zumindest für die PH sehr wohl einen Zwang zur Kooperation mit den Unis gibt?

Ja. Würde man von Zwang reden, dann würde der eher auf die PH ausgeübt und weniger auf die Unis. Zumindest wird der Zwang für die PH viel offensichtlicher sein.

Die Unis könnten Studiengänge also auch ohne Hilfe der PH anbieten.

Das könnte möglich sein. Es ist aber nichts endgültig beschlossen. Man kann noch nicht fix sagen, dass auch die Unis auf jeden Fall zur Kooperation gezwungen werden. Wir wollen sie in intensiven Gesprächen von der Sinnhaftigkeit der Kooperationen überzeugen.

Ihre Überzeugungskraft scheint nicht allzu groß zu sein. Immerhin haben die Rektoren sehr laut gegen den Zwang zur Kooperation aufgeschrien.

Die erste kritische Reaktion der Rektoren hatte ihre Gründe. Der Ministerratsvortrag hat keine fundierte Argumentation ermöglicht. Inzwischen habe ich mit einigen Rektoren persönlich gesprochen und gesehen, dass ich sehr wohl hohe Überzeugungskraft habe.

Zum Thema Eignungsverfahren: Wie sollten diese aussehen?

Einen punktuellen Test wird es sicher nicht geben. Da würde man nicht das erfahren, was man eigentlich erfahren möchte – nämlich, ob die Person für den Lehrberuf geeignet ist. Das Verfahren wird sicherlich mehrstufig sein.

Sehr selektiv kann das Aufnahmeverfahren in Zeiten eines zunehmenden Lehrermangels wohl nicht sein.

Man wird in Zeiten hoher Nachfrage natürlich versuchen, noch mehr Leute zu gewinnen. Aber ein Eignungs- und Neigungstest darf sich nie und nimmer nur am Arbeitsmarkt orientieren. Wir zählen auf die Qualität der Bewerber, aber auch auf Quereinsteiger.

Eine fixe Anstellung soll es künftig nur für Masterabsolventen geben. Nach dem Bachelor sollen Studenten ein bis zwei Jahre unterrichten und parallel ihr Masterstudium absolvieren. Ist es angesichts des Lehrermangels nicht gefährlich, dass die Bachelorabsolventen fix in der Schule bleiben?

Diese Gefahr besteht ganz eindeutig. Das will ich gar nicht kleinreden. Aber: Ein Bachelorabsolvent ist schon um vieles besser als ein ungeprüfter Studierender.

Werden Vorkehrungen getroffen, um zu verhindern, dass der Einsatz als Bachelor zum Regelfall wird?

Das ist Sache des Dienstrechts.

Ist man nach dem vierjährigen Bachelor auch fachwissenschaftlich so weit, dass man an einem Gymnasium oder an einer BHS unterrichten kann?

Derzeit dauert das kürzeste Lehramtsstudium neun Semester. Der Bachelor wäre achtsemestrig; das fehlende Semester halte ich aus. Zumal es nur vorläufig ist. Außerdem hoffe ich, dass das Curriculum so ausgefeilt ist, dass kein großer Unterschied zum neunsemestrigen Studium besteht. Hinzu kommt, dass diese Umstellung einen großen Vorteil mit sich bringt. Künftig werden alle Lehrer von Hauptschule und Neuer Mittelschule einen Masterabschluss haben.

Das heißt, um die fachliche Qualifikation fürchten Sie nicht?

Die ist schon gut, wenn man sich die Curricula, und was in ihnen an Fächern vorgesehen ist, anschaut.

Sie wollen die Qualität der Ausbildung mithilfe des Zertifizierungsrates kontrollieren. Die Rektoren warnen vor Einschnitten in ihre Autonomie. Haben Sie auch Bedenken?

Nein, grundsätzlich habe ich die nicht. Ich hätte zwar die AQ Austria (die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung, Anm.) bevorzugt, der Koalitionspartner wollte das nicht. Gut ist, dass auch Ministerin Schmied akzeptiert, dass sich der Zertifizierungsrat an internationalen Standards zu messen hat.

Es heißt stets, dass die PH am Gängelband des Unterrichtsministeriums hängen. Kann man sich sicher sein, dass das bei den neuen Lehrerbildungsinstitutionen nicht so sein wird?

Das ist eine Sorge der Unis, die ich verstehe. Die Unis beobachteten abschreckende Beispiele wie die Abberufung von Elmar Märk (Schmied berief diesen wegen einer Meinungsverschiedenheit ab, Anm).

Sie hörten, was die Ministerin vor wenigen Tagen sagte. Und zwar, dass sie mit den Unis ein Grundsatzgespräch über die Autonomie führen möchte.

Sie hat ein anderes Verständnis von Autonomie. Ihr geht es um den direkten Zugriff auf die Institutionen. Mit der tatsächlichen Uni-Autonomie muss sie wohl erst lernen sich anzufreunden.

Zur Person

Karlheinz Töchterle (63) ist seit April 2011 Wissenschaftsminister mit einem Ticket der ÖVP. Der Altphilologe war zuvor Rektor der Universität Innsbruck. Gemeinsam mit Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) verhandelt er die neue Lehrerbildung. Künftig sollen angehende Lehrer einen vierjährigen Bachelor absolvieren und dann eine ein- bis zweijährige Induktionsphase durchlaufen. Das ein- bis zweijährige Masterstudium soll berufsbegleitend absolviert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2012)

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