Spotted: "Du bist mir aufgefallen. Melde dich!"

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Spotted bist aufgefallen Melde(c) Erwin Wodicka wodicka aon at (Erwin Wodicka)
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An Österreichs Universitäten sorgt die Flirtseite Spotted für einen regelrechten Facebook-Hype. Anstatt ihre Zufallsbekanntschaften anzusprechen, können Nutzer einen Aufruf auf der Seite posten.

Die Situation ist vielen nicht unbekannt. Man steht in der Bibliothek, sitzt in der U-Bahn und sieht auf einmal eine Frau oder einen Mann und denkt: „Himmel, den (oder die) will ich jetzt unbedingt kennenlernen.“ Weil man aber viel zu schüchtern ist (willkürlich Leute anzusprechen ist ja irgendwie viel zu peinlich), sagt man nichts. Und ärgert sich nachher dafür umso mehr. Es hätte ja – rein theoretisch – die große Liebe sein können.

Jetzt gibt es für solche Situationen so etwas wie Abhilfe. Auf der Plattform „Spotted: University of Vienna“ können Studenten auf Partnersuche ihre Zufallsbegegnungen anonym posten und hoffen, dass sich der Gesuchte meldet.

„Da ist ein total süßer Typ, ca 1,80 groß, eher südländisches aussehen, den ich öfter schon in der Bibliothek lernen gesehen hab. (...) Er hat Schwarze wahnsinns haare (Art undercut) und atemberaubende schokobraune Augen, die mich zum schmelzen bringen“, schreibt etwa eine Studentin über einen Unbekannten auf der Hauptbibliothek. Ein junger Mann hat wiederum im Chemie-Institut seine Traumfrau gesehen: „Sie hat schulterlange braune Haare und einen ur süßen (steirischen?) Dialekt! Ihre dunkle Brille passt Super zu ihren Augen und beim Anblick ihrer Beine werd ich wahnsinnig . . . (...) Wenn sie wer kennt oder du das liest, bitte meld dich!!“

Immer wieder sind auch Live-Postings zu finden. „Sitze mit einem Jungen mit dunklen Haaren, blauen Augen und grauem Pullover in der Bibliothek, hat ein bisschen etwas von einem Hipster. Er sitzt gegenüber von mir und scheint sehr in seinen Computer vertieft zu sein. Junge in dem grauen Pullover, ich hoffe, dass du das heute noch liest und mal von deinem Computer aufschaust“, schreibt eine junge Frau (alles Originalzitate, inkl. Rechtschreibung).

Die Wahrscheinlichkeit, dass besagter junger Mann das Zitat tatsächlich liest, steht gar nicht einmal so schlecht. Seit die Facebook-Seite vor gerade einmal einem Monat, am 12.Dezember 2012, online gegangen ist, posten und kommentieren Nutzer auf ihr im Minutentakt. Rund 11.700 Fans verzeichnete die Seite am Freitagabend, die Zahl der User ist stündlich am Steigen. Regen Zuspruch können auch die „Spotted: University of...“-Seiten in den Bundesländern vermelden: Graz mit 6000 Likes, Innsbruck mit 4700, Linz mit 1700 und Salzburg mit 1400 Likes.

Die Betreiber bleiben anonym.
Dahinter steht eine Gruppe von rund 20 Studenten, die behaupten, alle diese Seiten ins Leben gerufen zu haben. Sie selbst wollen aber unerkannt bleiben. „Wir haben uns das so ausgemacht, niemand soll im Vordergrund stehen“, sagt Philipp (Name geändert), der die Wiener Spotted-Seite betreut. Auch einem Verein, einer Partei oder anderen Organisationen wolle man nicht nahestehen.

Nur so viel sei verraten: Die Gruppe besteht sowohl aus Männern als auch aus Frauen zwischen 20 und 25 Jahren, und „alle großen Studienrichtungen wie BWL oder Jus sind in der Gruppe vertreten“, sagt Philipp. Auf die Jus-Studenten lässt sich mit den elendslangen Nutzungsbedingungen im Infokasten dann auch schließen. „Uns geht es darum, Liebe und Spaß an die Uni zu bringen“, sagt Philipp. Eine Spotted-Seite in New York diente als Vorbild.

Tatsächlich ist das Spotted-Phänomen kein österreichisches – auch in Ländern wie Deutschland, Irland oder England gibt es solche Seiten. Und sie beschränken sich nicht nur auf die Uni. „Spotted: On Dublin Bus“ hat derzeit etwa 33.000 Fans. Und auch die Gegenbewegung gibt es mit „Spotted: Deine Mutter“ und „Enemy Spotted: University of Vienna“. Wobei sich dort der Zuspruch der Fans in Grenzen hält.

Wer die Spotted-Seiten erfunden hat, darüber ist nicht viel bekannt. Die Ähnlichkeit mit der Serie „Gossip Girl“, in der Darsteller auf der gleichnamigen Plattform in der Serie „gespotted“ wurden, ist aber nicht zu übersehen.

Nicht alles wird veröffentlicht. Mit ihrer Aktion haben die Studenten jedenfalls den Nerv der Zeit getroffen. Rund 50 bis 60 Melde-dich-Aufrufe würden täglich eingehen, sagt Philipp. Nicht alle davon werden veröffentlicht. „Wir geben nur ernsthafte Beiträge frei.“ Fühlt sich jemand erkannt und will nicht auf der Seite aufscheinen, kann er das melden. „Dann löschen wir das sofort.“

Auch die Vorwürfe, dass die Beiträge erfunden seien, weist er zurück. Glaubt sich jemand in einem Beitrag zu erkennen, kann er sich per Facebook-Nachricht bei den Betreibern melden. Dann werden alle Beteiligten gefragt, ob die Kontaktdaten weitergegeben werden sollen, danach wird ausgetauscht. Manchmal würden sich auch mehrere Personen auf einen Aufruf melden, erzählt Philipp. Immerhin sei nicht immer eindeutig, wer in dem Posting gemeint ist. Einmal am Tag, sagt der Student, würde man jedenfalls Leute erfolgreich zusammenbringen. Was danach passiert, weiß er freilich nicht. Ein Foto von einem Treffen zweier Studenten, die sich so gefunden haben, hätte die Gruppe aber jedenfalls schon einmal bekommen.

Dass Leute zusammenfinden, dafür sorgen auch die Besucher, die die Aufrufe kommentieren und Vorschläge für die gesuchten Personen liefern. Manch einer fragt sich auch, warum man das Objekt der Begierde, bitte schön, denn nicht gleich angesprochen hätte, andere machen sich über die zum Teil schmachtenden Formulierungen lustig.

Und dann gibt es auch noch Fälle, in denen die Suchaktion danebengeht:„an die süße studentin der ernährungswissenschaften! du bist mir schon öfter aufgefallen – mit deinem bezaubernden lächeln (...) ziehst du alle blicke auf dich. (...) melde dich!“, schrieb ein junger Mann unlängst. Antwortet darunter ein anderer erbost: „Finger weg! Verfolgen gefälligst einstellen.“ Meint er doch, in der Gesuchten eindeutig seine Freundin erkannt zu haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2013)

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