Medizin-Test: "Es gibt kein intelligenteres Geschlecht"

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Medizinaufnahmetest bdquoEs gibt kein(c) APA (ROBERT JAEGER)
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Die amerikanische Psychologin Diane F. Halpern hat die österreichischen Medizinaufnahmetests genauer unter die Lupe genommen.

Die Presse: Am Freitag findet in Österreich erstmals ein neuer Medizinaufnahmetest statt. Der alte EMS-Test hat vor allem ob seiner Benachteiligung von Frauen für Kritik gesorgt. Vor diesem Hintergrund: Gibt es tatsächlich große Unterschiede zwischen den Geschlechtern?

Diane F. Halpern: Es gibt Testbeispiele, die Frauen leichter fallen und andere, die Männern eher liegen. Es gibt also kein intelligenteres Geschlecht.

Aber warum kann ein und dieselbe Aufgabe für ein Geschlecht leicht und für das andere schwer sein?

Dafür gibt es viele Erklärungen. Es hängt beispielsweise stark von unseren Interessen ab. Die wissenschaftlichen Daten, die wir haben, zeigen, dass Frauen – durchschnittlich gesehen – mehr an zwischenmenschlichen Dingen interessiert sind als Männer. Das erklärt etwa, warum sich mehr Frauen als Männer an Med-Unis bewerben. Übrigens ist es auch kein Zufall, dass sich sowohl in Österreich als auch in den USA an den veterinärmedizinischen Unis hauptsächlich Frauen bewerben. Die Interessen sind im Durchschnitt einfach anders.

Ist dieser Unterschied vorwiegend auf die Erziehung zurückzuführen?

Die spielt zumindest teilweise eine Rolle. Ich möchte es nicht zu sehr simplifizieren. Es gibt viele verschiedene Theorien dazu, warum Frauen und Männer unterschiedliche Interessen haben. Außerdem verändern sich diese Unterschiede zwischen den Geschlechtern immer wieder. Was heute wahr ist, muss in zehn oder zwanzig Jahren keineswegs mehr so sein. Es gibt gesellschaftliche Veränderungen, die erheblichen Einfluss haben. Es haben sich ja beispielsweise nicht immer mehr Frauen als Männer für ein Medizinstudium beworben.

Das schlechtere Abschneiden von Frauen beim EMS-Test wurde stets mit einem schlechteren naturwissenschaftlichen Verständnis argumentiert. Sind Frauen in diesem Bereich tatsächlich weniger begabt?

Nein, sind sie nicht. Das liegt am Test. Ich kann einen Test so konzipieren, dass er Frauen benachteiligt, ich kann ihn aber auch so gestalten, dass er sie bevorzugt. Genauso könnte man auch darauf achten, dass es keine Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern gibt.

Soll es überhaupt das Ziel eines Tests sein, dass 50 Prozent von beiden Geschlechtern ihn bestehen?

Das ist eine philosophische Frage, keine statistische. Die IQ-Tests werden absichtlich so gestaltet, dass kein Unterschied in den durchschnittlichen Leistungen von Frauen und Männer besteht. Beide Geschlechter haben im Durchschnitt also den gleichen IQ. Bei den Tests wird darauf geachtet, dass Fragen, die Frauen bevorzugen, entweder gar nicht gestellt werden oder mit einer Frage gekoppelt werden, die Männer bevorzugt – und vice versa.

Der neue Medizinaufnahmetest überprüft das Wissen der Teilnehmer und die kognitiven Fähigkeiten. Kommen die menschlichen Qualitäten zu kurz? Immerhin geht es um künftige Ärzte.

Reden Sie nie gegen das Wissen! Wissen ist wichtig. Ich möchte keinen Arzt haben, der meine Körperteile nicht benennen kann – oder der sich die Namen der Medikamente nicht merkt. Man braucht also jemanden, der einen großen Wissensschatz hat und gleichzeitig auch die persönlichen Fähigkeiten mitbringt, die ein Arzt mitbringen sollte.

Aber ist es überhaupt möglich, Bereiche wie Empathie zu testen?

Natürlich. Es ist aber viel schwieriger, als reines Wissen abzutesten. Grundsätzlich kann ein Test einen Hinweis darauf geben, ob jemand empathisch ist, oder nicht. Mit Sicherheit kann das ein Test aber natürlich nicht sagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2013)

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