"Bildung für alle, und zwar umsonst!" Zwei Wochen nach Beginn der Besetzung des Audimax gingen die Wiener Studenten am Donnerstag erneut auf die Straße. Die Demo am "Aktionstag Freie Bildung für alle" war jedoch schlechter besucht als die Kundgebung der Vorwoche. VON ROSA SCHMIDT-VIERTHALER, BERNADETTE BAYRHAMMER UND GÜNTER FELBERMAYER
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Die Uni Wien war der Haupttreffpunkt der Demonstranten, die gegen Zulassungs-Beschränkungen, für bessere Studienbedingungen und noch einiges mehr auf die Staße gingen. Der Protestmarsch lief müde an, schließlich kamen aber doch noch viele Demonstranten.
"Ich befürchte, dass sich die Studienbedingungen weiter verschlimmern," sagte Natalie (links im Bild), die Germanistik und Orientalistik studiert. "Ein Doppelstudium wird duch das Bachelor-Mastersystem schwierig."
Der Psychologie-Student Johannes hat vor der Uni nur Kaffe getrunken und sich umgesehen: "Ich muss lernen und habe keine Zeit für die Demo. Aber Solidarität: Auf jeden Fall."
Mit Unterstützung einer Trommelgruppe marschierten kurz nach vier Uhr laut Polizei etwa 2000 Demonstranten von der Uni Wien los.
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Der 22-jährige Alex ging mit, weil es bei dieser Demo nicht mehr nur um Studenten geht, sondern um Bildung allgemein. Und: "Ich bin ein gutes Aushängeschild für alles, was im Bildungssystem schiefläuft," sagt er nicht ohne Selbstironie. Denn er ist arbeitslos.
Ziel des Protestzugs war der Urban-Loritz-Platz am Gürtel. Einer der Slogans: "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut!" Zeitgleich mit den Demonstranten vor der Hauptuni marschierten Gruppen von der TU, der Boku und der WU los.
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Auch viele Professoren und Uni-Lektoren haben sich mit den Forderungen der Studenten nach mehr Geld für den Hochschulsektor solidarisiert.
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Studenten der Universität für Angewandte Kunst steuerten kreatives Material bei: Unter anderem ein Papp-Boot in Lebensgröße, auf dessen Segeln der Spruch "Bildung über Bord" stand.
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Angesichts der vorerst geringen Zahl an Demonstranten machte sich bei einigen Enttäuschung breit: "Es sind viel weniger als erwartet, ich glaube morgen ist die Besetzung vorbei", erklärte eine der an der Audimax-Besetzung beteiligten Studentinnen.
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Doch es stießen noch mehr Demonstranten hinzu, die Polizei ging von 8000 aus, die Veranstalter von 20.000. Allerdings ist das im Vergleich zur Demo am vergangenen Donnerstag nur etwa die Hälfte an Teilnehmern.
Diesem fröhlichen Kunst-Studenten ging es bei den Protesten darum, "aufzuwachen und selbständig zu denken". Die Proteste würden sich auch an die Studenten richten, sagte er. Denn man müsse für das kämpfen, was einem wichtig ist.
0,05 Quadratmeter pro Student - selbst DIN A4 ist größer: Diese Studenten kritisierten den Platzmangel, der in vielen Instituten eklatant ist.
"Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut!" riefen die Demonstranten.
Ein seltenes Ereignis: Für den Protestmarsch wurde der Gürtel teitweise gesperrt. Das befürchtete Verkehrschaos blieb aber aus. Ein Rettungswagen wurde blitzschnell durchgelassen.
Ein ungewohntes Bild: Der Gürtel ohne die Staukolonnen des Berufsverkehrs am frühen Abend. Die Polizei-Präsenz war aber auf jeden Fall groß.
Der nunmehrige Bundespräsidentschafts-Kandidat Richard Lugner als Zaungast. Die Botschaft des Zettels in seiner hand dürfte ihm nicht gefallen: "Reiche müssen zahlen".
Der Blick von der Hauptbibliothek zeigt: Um zirka 18 Uhr hatte sich der Protestzug vergrößert, tausende Studenten zogen über den Gürtel.
Bei diesem Bild zu beachten ist der wagemutige Fahnenschwenker im Bild ganz rechts oben, der auf die Überdachung des Urban-Loritz-Platzes geklettert war.
Unter den Demonstranten waren auch viele Deutsche. Und einige der Demonstranten trugen goldene Papier-Kronen der deutschen "Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen".
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"Wir sind eine Krise, rechnet mit uns," lautete ein nicht ironiefreier Slogan der Demonstranten.
Bei der Abschlusskundgebung im Märzpark lauschten die Demonstranten den Kundgebungen. Vor der Wiener Stadthalle hatten sich über 7000 Teilnehmer der Kundgebung versammelt.
Dort zeigte sich noch einmal die Vielfalt der Demonstrierenden. Den KSA-Studierenden Maia, Evi und Manfred ging die Umsetzung des Bologna-Prozesses gegen den Strich: "Das Bachelor-System gehört überdacht, die Studienpläne überarbeitet." Außerdem fehlt die Interdisziplinarität.
Die angehende Medizinstudentin Anna-Amalia demonstrierte "gegen stures Dahinlernen". "Wir sollen auch Hintergrundwissen bekommen, und lernen, wie man mit Patienten umgeht, nicht einfach zur Maschine getrimmt werden."
Tan, Student der Theaterwissenschaften (links): "Ich bin hier, weil ich gegen Ökonomisierung demonstrieren will." Soziologiestudent Klemens, weil Bildung das wichtigste ist, das ein Staat bereitstellen muss. "Und wenn es sein muss, demonstriere ich dafür auch noch mit 80."
Georg, Jahrgang 1945: "Ich bin hier weil ich Kinder und Enkelkinder habe (...) Wenn mich die Regierenden nicht nicht ernst nehmen, gehe ich auf die Straße."
Auf der Bühne vor der Stadthalle traten Redner der verschiedenen Gruppierungen auf, die den Aktionstag unterstützten.
Erster Redner: Jürgen Michlmayr von der ÖGB-Jugend. Er forderte "faire und freie Bildung" und machte in einer kurzen, aber glühenden Rede die Solidarität der Gewerkschafter mit dem Anliegen der Studenten deutlich. Zentrale Message: "Die Jugend darf nicht für die Krise zahlen."
Vor johlenden und pfeifende Demonstrierenden machten Vertreter der TU deutlich, dass die Studenten "aufgewacht" sind und erläuterten nochmals konkrete Forderungen: Keine Studiengebühren, keine Zugangsbeschränkungen irgendwelcher Art, mehr Mittel für die Grundlagenforschung, Barrierefreiheit und vor allem: Eine gesellschaftspolitische Veränderung weg von der Ökonomisierung aller Lebensbereiche.
Studenten der Boku machten mit der Bokuh auf ihre Anliegen aufmerksam.
Auch Vertreter der Audimax-Besetzer traten auf die Rednerbühne. Sie erklärten mit Nachdruck, dass der Audimax besetzt bleiben wird - sie richten sich auf eine länger andauernde Besetzung ein. "Was wir bisher erreicht haben: Bildung ist wieder Gesprächsthema Nummer eins."
Mit Megafonen und Luftballons machten die Studenten bei der Kundgebung auf sich aufmerksam.
Andere waren schon in ausgelassener Stimmung und trieben ihre Späßchen mit ihren Transparenten und Hupen.
Dieser Aktionist hatte sich mit seinem zynisch gemeinten Schild direkt vor der Rednerbühne platziert.
Wegen der kalten Wetterlage wurde den frierenden Studenten Glühwein ausgeschenkt.
Studenten der Theaterwissenschaft demonstrierten für ihre Anliegen - wurden aber prompt von Demonstranten mit der Anarchie-Flagge, die sich unter die Studenten gemischt hatten, angepöbelt.
Dabei waren die lustig-ironischen Anliegen der Studenten eingängig. Mit Schildern und Verkleidung machten sie ihrem Unmut Luft. Auch eingängig, wenn auch leider nicht im Bild: "Mein Friseur hat auch Zugangsbeschränkungen."
Viele Studenten waren mit Transparenten unterwegs, wobei sich diese beiden nicht ganz einig waren, in welche Richtung sie jetzt marschieren wollen. Ein Sinnbild für die derzeit laufenden Proteste?
Studenten auf der Staße
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