Kommt Erasmus für Bauern und Informatiker?

Kommt Erasmus für angehende Landwirte?
Kommt Erasmus für angehende Landwirte?APA/HELMUT FOHRINGER
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Die EU-Partner denken über die Zukunft nach. Der Andrang nach Großbritannien steigt vor dem Brexit sogar.

Alpbach. Rund neun Millionen Menschen hat das EU-Programm Erasmus in den vergangenen 30 Jahren ins Ausland gebracht – vor allem Studierende, auch wenn in den vergangenen Jahren immer mehr Programme dazugekommen sind, die sich auch an andere Bevölkerungsgruppen richten und die seit 2014 zu Erasmus+ zusammengefasst wurden. „Ob wir Erasmus+ inklusiver gestalten können, ist eine der Fragen“, sagt Martine Reicherts, EU-Generaldirektorin für Bildung und Kultur, die am Rande des Forums Alpbach mit der Hälfte ihrer Länderpartner zusammentraf.

In Überlegung ist einiges, zum Beispiel in Kooperation mit den Bereichen Landwirtschaft und IT in der EU, die dafür auch Geld einbringen könnten. Reicherts skizziert zum Beispiel ein mögliches Mobilitätsprogramm für junge (angehende) Bauern, die für sechs, zwei, ein Monat kennenlernen könnten, wie Landwirtschaft in einem anderen EU-Land funktioniert. Oder eines für junge Menschen, die in einem anderen EU-Land eine kurze Informatikausbildung absolvieren sollen.

Teils schon angelaufen ist das European Solidarity Corps, das sich ebenfalls an Nicht-Studenten richtet: Ein Teil baut auf den bestehenden Freiwilligendienst auf, ein zweiter soll jungen Menschen die Möglichkeit geben, in entsprechenden Sektoren in der EU einen Job, ein Traineeship oder eine Ausbildung zu finden. Die Mobilitätsprogramme für Schüler könnten ausgeweitet und sollen leichter zugänglich gemacht werden. „Dafür werden wir auch die Programme und die IT-Tools vereinfachen, weil die Schulen oft nicht die Struktur haben, um das zu organisieren“, sagt Reicherts.

Die Luxemburgerin ist derzeit dabei, die Vorschläge für die Zeit ab 2021 auszuarbeiten, wenn das aktuelle Erasmus+-Programm ausläuft. Grundsätzlich sagt sie: „Bisher habe ich noch von niemandem gehört, dass es kein Erasmus braucht.“ Hochrangige europäische Politiker hätten sich für eine Vervielfachung der Mobilität ausgesprochen. „Wir haben eine große Unterstützung des Europaparlaments.“ Aber letztlich braucht es die politische Entscheidung. Und: Alleine, um das Niveau zu halten, müsse das Erasmus+-Budget nach 2021 um 40 Prozent steigen.

„Biertrinken in der Kneipe“

Auch Österreich wünscht sich natürlich mehr Erasmus und mehr Geld dafür, wie OeAD-Geschäftsführer Stefan Zotti sagt. Er will aber auch neue, flexiblere Formen der Mobilität. Um die Zahl der Erasmusstudierenden zu erhöhen, brauche es etwa kürzere Auslandsaufenthalte, weil es immer mehr ältere, berufstätige Studierende gibt, manche mit Familie. Ein Monat ist dann leichter zu managen als drei. Bei den Schulen setzt er unter anderem auf virtuelle Mobilität: also etwa Online-Projekte.

„Erasmus wird sich verändern, aber es wird eine Evolution, keine Revolution“, sagt Reicherts. „Wir müssen sicherstellen, dass Erasmus Erasmus bleibt: ein Bildungsprogramm, mit dem man eine Zeit lang aus seiner Komfortzone rauskommt und etwas ganz Neues macht. Das fördert Softskills und Anpassungsfähigkeit, das lehrt gemeinsam leben. „Und das Wichtigste für mich ist nicht, was die Erasmusstudenten an der Uni lernen, sondern das gemeinsame Biertrinken in der Kneipe.“

In Großbritannien können die Studenten das nach dem Brexit-Votum noch bis inklusive Wintersemester 2018 tun. Bis die Verhandlungen über den EU-Austritt beendet sind, läuft Erasmus jedenfalls noch. Falls dann die Personenfreizügigkeit eingeschränkt wird, bedeutet das das Aus für Erasmus. Bis dahin steigen die Bewerbungen für britische Unis, sagt Zotti. „Man hat den Eindruck, die Studenten wollen das noch ausnutzen.“ (beba)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2017)

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