Universität: Weniger Prüfungsantritte „irrsinnig“

Die Rektoren würden sich eine Universität ohne Studierende wünschen, beklagt die Hochschülerschaft.
Die Rektoren würden sich eine Universität ohne Studierende wünschen, beklagt die Hochschülerschaft. (c) Clemens Fabry
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Die Rektoren wollen weg vom Laissez-faire-System und Langzeitstudenten exmatrikulieren. Die Hochschülerschaft findet das absurd. Das Studienrecht will aber auch sie ändern.

Wien. Der jüngste Vorstoß der Uni-Rektoren klang wie eine Kampfansage an die Studenten: Die Anzahl der Prüfungswiederholungen soll reduziert werden und Langzeitstudenten sollen, wenn sie zu lange keine Prüfung absolvieren, von der Uni geschmissen werden. Das forderte Rektorenchef Oliver Vitouch am Montag und erregte damit die Gemüter der Studenten. Als „absurd“, „irrsinnig“ und „schade“ bezeichneten Vertreter die Hochschülerschaft (ÖH) die Vorschläge.

„Das kann nur jemand fordern, der die Realität der Studierenden nicht kennt“, sagt Hannah Lutz vom Vorsitzteam der ÖH im Gespräch mit der „Presse“. Ein Laissez-faire-System, in dem Studenten fast alles dürfen, aber fast nichts müssen, wie Vitouch es kritisiert hat, erkennt sie an den heimischen Hochschulen nicht. Im Gegenteil. Durch die zunehmende Verschulung des Studiums würden die Vorgaben sogar immer strenger und die Freiheit der Studierenden zunehmend eingeschränkt.

Davon, dass inaktive Langzeitstudenten exmatrikuliert werden, hält Lutz nichts. Es gebe viele Gründe dafür, dass Studierende lange studieren. Immerhin würden 60 Prozent der Studierenden neben der Uni arbeiten. Da die Studierenden im Schnitt immer älter werden und oft erst spät mit dem Studium beginnen, gebe es außerdem viele Studierende mit Betreuungspflichten. Auch die Kinderbetreuung mache einen raschen Studienerfolg schwierig. „Ich sehe die Sinnhaftigkeit darin, diese Studierende zu exmatrikulieren, nicht“, sagt Lutz. Inaktive Studenten würden die Unis nicht viel kosten. Abgebrochene Uni-Karrieren dem Steuerzahler hingegen schon.

Auch die Reduktion der Prüfungsantritte von derzeit meist vier auf drei kommt für die Hochschülerschaft nicht in Frage. Das würde „massiv auf Druck, Zeitnot und ein Minimalmaß an Bildung abzielen“, so die Studienvertretung Lehramt an der Uni Salzburg. Auch die Bundes-ÖH ist verärgert: „Es kann nicht sein, dass sich die Rektoren eine Universität ohne Studierende wünschen“, sagt Lutz mit Blick auf mögliche Studienabbrüche durch die Reduktion der Prüfungsantritte.

Teilzeitstudium wird beklatscht

Nicht alle Ideen der Rektoren werden von den Studierenden abgelehnt. Denn auch sie wollen eine Studienrechtsreform. Ein Vorschlag wird sogar beklatscht: der, ein Teilzeitstudium einzuführen. Diese Forderung bewirbt die ÖH seit Jahren. Studenten sollen sich zwischen einem Vollzeit- und einem Teilzeitstudium entscheiden können. Bei Letzterem soll man länger studieren können. Die Beihilfen und Vorgaben sollen an das Teilzeitstudium angeglichen werden.

Ein neues Studienrecht soll laut ÖH auch mehr Wahlfreiheit bringen. Durch den Bologna-Prozess sei diese häufig verloren gegangen. Wahlfächer zu absolvieren sei oft unmöglich. Das sei ein Mitgrund dafür, dass Studierende oft mehrere Studien gleichzeitig inskribieren. Diese Mehrfachinskriptionen – Stichwort: Laissez-faire-System – sind wiederum dem Rektorenchef ein Dorn im Auge. Er wünscht sich auch hier Verschärfungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2017)

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