Universität: Neue Schranken – nicht nur für die Juristen

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In Jus und Pädagogik wird die Zahl der Anfängerplätze um die Hälfte zurückgefahren. Neue Hürden gibt es auch bei den Fremdsprachen – und je nach Uni in weiteren überlaufenen Fächern. Was die neue Uni-Finanzierung bringt.

Wien. Für die Uni-Rektoren ist es ein großer Schritt in die richtige Richtung, für die Studentenvertreter der ÖH und die SPÖ eine unfaire Maßnahme, die Studienplätze kappt und die soziale Selektion befeuert: die neue Uni-Finanzierung inklusive neuer Zugangsbeschränkungen für Recht, Pädagogik und Fremdsprachen – und je nach Universität wohl noch einigen anderen Studienfächern. Das Vorhaben, das ursprünglich schon unter den Ex-Wissenschaftsministern Reinhold Mitterlehner und Harald Mahrer (ÖVP) ausgearbeitet wurde – und in den Grundzügen unverändert blieb –, soll heute, Mittwoch, unter der Ägide von Ressortchef Heinz Faßmann (ÖVP) den Ministerrat passieren. Eine Punktlandung: Denn das Uni-Budget mit dem Plus von 1,35 Milliarden Euro war daran geknüpft, dass die neue Uni-Finanzierung spätestens am 31. Jänner im Parlament landet.

1 Was soll mit dieser Uni-Reform bewirkt werden?

Das zentrale Ziel ist die Verbesserung der Betreuungsrelationen in jenen Fächern, in denen diese zurzeit schlecht sind. Derzeit kommen in Jus 70 Studenten auf einen Uni-Lehrer, in den Fremdsprachen 73 und in den Erziehungswissenschaften 123. Als Zielwert gilt in diesen sogenannten Buchwissenschaften ein Verhältnis von eins zu 40. Mit 510 Millionen Euro aus dem Budgetplus sollen daher neue Lehrende finanziert werden, das könnten etwa 500 neue Professuren sein. Parallel wird an einer anderen Schraube gedreht. In besonders betroffenen Fächern werden Schranken eingezogen. Insgesamt soll die Zahl der prüfungsaktiven Studenten von derzeit 182.000 auf 190.000 gesteigert werden, bei aktuell rund 270.000 Studierenden.

2 In welchen Studienfächern wird es neue Schranken geben?

Zusätzlich zu den schon derzeit beschränkten Fächern – von Medizin bis Wirtschaft – können österreichweit ab Herbst 2019 Zugangshürden in drei weiteren Bereichen eingezogen werden: Jus inklusive Wirtschaftsrecht, Erziehungswissenschaften inklusive Pädagogik und Fremdsprachen, darunter laut Ministerium etwa Übersetzen und Dolmetschen sowie Anglistik. Das ist aber noch nicht alles: Wenn es an einzelnen Universitäten besonders überlaufene Fächer gibt – das könnte etwa Chemie an der Uni Wien sein –, können diese unter bestimmten Voraussetzungen lokal zugangsbeschränkt werden.

3 Um wie viel wird die Zahl der Studienplätze zurückgefahren?

In Jus und Erziehungswissenschaften würde die Zahl der Anfänger um die Hälfte zurückgehen. In Jus sollen österreichweit mindestens 4300 Plätze angeboten werden – laut SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl gab es dort laut einer Proberechnung des Ministeriums zuletzt 8600 Anfänger. In der Erziehungswissenschaft soll es nun 1460 Plätze geben, bei zuletzt rund 2700 Studienanfängern. Bei den Fremdsprachen ist das frühere Modell adaptiert worden, geben soll es künftig 3020 Plätze. Die Zahlen werden aus Anfängern, prüfungsaktiven Studien und Absolventen berechnet, das dürfte auch für die künftig lokal beschränkten Fächer so gelten. In der bereits beschränkten Informatik wird die Platzzahl um 300 auf 2800 erhöht, in Psychologie von „bis zu 2300“ auf die zuletzt vergebenen 1300 Plätze. In anderen beschränkten Fächern bleibt die Platzzahl unverändert.

4 Wie werden sich diese neuen Hürden auswirken?

Kuntzl kritisiert eine deutliche Reduktion der Studienplätze. Rund 5000 junge Menschen würden wegen dieser neuen Hürden jährlich nicht studieren können. Faßmann erwartet indes nicht, dass es einen Rückgang an „Realstudierenden“ geben wird. Frei übersetzt, weil ein Teil zwar inskribiert, dann aber nicht aktiv studiert oder das Fach bald wieder bleiben lässt. In Wien gebe es in Jus nach einem Jahr in etwa so viele prüfungsaktive Studierende, wie das Modell vorsehe; die Drop-out-Rate liegt bei Jus bei 72 Prozent. Befürchtet werden auch Verdrängungseffekte in andere Fächer – bei denen die lokalen Hürden schlagend werden könnten: Wenn die Zahl der Anfänger in den vorigen beiden Studienjahren um 50 Prozent gestiegen ist, kann man ein Fach beschränken.

5 Wie sollen die neuen Zugangsverfahren aussehen?

Jede Uni entscheidet, ob sie die Möglichkeit, neue Hürden einzuziehen, nutzt, und wie die Zugangsverfahren aussehen. Sie dürften denen in den zuletzt beschränkten Studienfächern (Wirtschaft, Informatik) ähneln. Die Verfahren müssen mehrstufig sein, also etwa ein Motivationsschreiben und einen Test umfassen. Künftig dürfen die Universitäten zur besseren Orientierung auch in nicht beschränkten Studienfächern Motivationsschreiben oder Selbsttests verlangen – zugelassen wird aber dort jeder.

6 Was hat das alles mit der neuen Uni-Finanzierung zu tun?

Grob gesagt wird das Geld künftig stärker nach der Anzahl der (prüfungsaktiven) Studien an die Unis verteilt. Das sind jene, in denen zumindest 16 ECTS pro Jahr absolviert werden, rund ein Viertel dessen, was man jährlich für einen Abschluss in Mindestzeit schaffen muss. Wie viel Geld es pro Studienplatz dann gibt, hängt davon ab, um welches Fach es sich handelt: Es gibt sieben Fächergruppen, von den teureren wie Medizin oder Kunst bis zu den günstigeren Buchwissenschaften wie Jus. Eine gleichbleibende, fixe Summe wird das aber nicht sein: Vielmehr geht es um ein Verteilungsmodell. Jene Säule des Budgets, die für die Lehre vorgesehen ist – neben den Säulen für Forschung und Infrastruktur –, wird nach Studien und Fächerschlüssel aufgeteilt. Extrageld gibt es unter anderem für besonders viele Absolventen.

7 War die FPÖ nicht ursprünglich für den freien Uni-Zugang?

An und für sich waren die Freiheitlichen stets für den freien Hochschulzugang (für Österreicher mit Matura). An dem ÖVP-Entwurf hat sie aber nichts Wesentliches geändert. FPÖ-Wissenschaftssprecher Axel Kassegger war gestern für die „Presse“ nicht erreichbar. Sein Parteichef, Heinz-Christian Strache, argumentierte die neue Uni-Finanzierung mit Zugangsbeschränkungen am Montagabend mit der Senkung der Drop-out-Raten, der Verbesserung der Betreuungsverhältnisse an den Unis und einer Erleichterung des Zugangs zum Arbeitsmarkt nach dem Studium.

Auf einen Blick

Schon derzeit gibt es an den Unis zahlreiche Zugangsbeschränkungen. Es gibt Eignungsprüfungen für Kunst und Sport sowie (ohne Konsequenzen für die Aufnahme) für Lehramtsstudien. In der Medizin gibt es einen österreichweit einheitlichen Test, bei dem 75 Prozent der Plätze für Österreicher reserviert sind. Für Zahnmedizin fällt diese Quote nach einer Entscheidung der EU-Kommission ab 2019 weg. Beschränkt sind auch Veterinärmedizin, Psychologie und Publizistik. Und als Pilotprojekte im Sinne der Studienplatzfinanzierung wurden zuletzt die Bereiche Wirtschaft, Informatik, Biologie, Pharmazie und Architektur beschränkt.

Neue Hürden sind künftig österreichweit in den Bereichen Jus, Erziehungswissenschaften und Fremdsprachen möglich. Außerdem kann es Schranken in Fächern geben, die an einzelnen Unis überlaufen sind. Und auch bei nicht beschränkten Fächern kann künftig ein Motivationsschreiben verlangt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2018)

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