Mehr Lernstoff, weniger Struktur

Die Stoffmengen an der Uni sind umfangreicher als in der Schule. Wer kein passendes Lernkonzept hat, fühlt sich rasch überfordert.
Die Stoffmengen an der Uni sind umfangreicher als in der Schule. Wer kein passendes Lernkonzept hat, fühlt sich rasch überfordert.(c) Bilderbox
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Der Wechsel von der Schule auf die Universität bringt eine Reihe von Umstellungen mit sich. Unter anderem beim Lernen: Mehr Stoff und die geforderte Selbstständigkeit bringen viele Studierende zum Straucheln.

Hörsaal statt Schulbank lautet für Tausende Erstsemestrige in wenigen Wochen die Devise. Der Wechsel ins tertiäre Bildungssystem bringt für die Maturanten allerdings zahlreiche Veränderungen mit sich. Das gilt nicht nur für die Lebensumstände, sondern besonders auch fürs Lernen. Statt fester Zeit- und Stundenpläne müssen die angehenden Akademiker, basierend auf dem Studienplan, häufig selbst Lehrveranstaltungen auswählen sowie Anmeldefristen für Seminare, Prüfungen oder Übungen berücksichtigen.

Eine weitere Hürde ist der Lernstoff. „Dieser ist an den Universitäten wesentlich größer als in der Schule“, weiß Franz Oberlehner, Leiter der psychologischen Studierendenberatung Wien. Wie der Einzelne damit umgeht, wie er ihn sich einteilt, das kümmert an der Universität kaum einen der Lehrenden, ein tägliches Arbeitspensum wird von niemandem vorgegeben. „In der Schule werden die Schüler von Lehrern, Eltern, Lehrplan und Schulbüchern strukturiert und motiviert. Der Studierende hingegen ist in den meisten Fächern auf sich allein gestellt“, weiß Oberlehner. Dazu kommt, dass nicht immer der gesamte Stoff in der Lehrveranstaltung durchgenommen wird, sondern vieles von den Hörern zusätzlich im Selbststudium zu erarbeiten ist.

Organisation und Motivation

Um auf dem studentischen Parkett zu bestehen sind somit Selbstorganisation und Selbstmotivation gefragt. „Das ist für die meisten die größte Herausforderung“, berichtet Julia Zuber von der Linz School of Education, Abteilung für Bildungsforschung, der Johannes-Kepler-Universität Linz. Ihr Rat: in der ersten Lehrveranstaltung nach Pflichtliteratur und Ziel fragen und anhand dieser Informationen einen Zeitplan erstellen. „Spätestens vier Wochen vor der Prüfung sollte man wissen, welchen Stoff man in welchem Zeitraum beziehungsweise mit welcher Geschwindigkeit lernt“, sagt Zuber. Das könne man leicht herausfinden, und zwar mithilfe bisheriger Erfahrungswerte. „Wenn ich weiß, wie lang ich für fünf bis sechs Seiten brauche, dann kann ich mir ausrechnen, wie lang ich für einen bestimmten Stoffumfang brauche“, sagt Zuber. Idealerweise sollte man dann noch ein bis zwei Wochen Wiederholungszeit einrechnen.

Wichtig dabei ist nach Ansicht beider Experten vor allem eines: „Es geht nicht um das Auswendiglernen, sondern um das Verstehen. Nur dann bleibt das Gelernte im Gedächtnis.“ Die Realität sieht allerdings oft anders aus. „Wir beobachten häufig den Binge-Effekt“, erzählt Zuber. Dabei würden sich Studierende kurzfristig riesige Massen an Wissen aneignen. „Und kurz nach der Prüfung haben sie das meiste davon wieder vergessen. Aber das Vergessen der Inhalte ist nicht das Ziel des Lernens“, sagt Zuber.

Das ideale Lernpensum beschreibt sie demnach folgendermaßen: 20 bis 30 Minuten lernen, dann 30 Minuten Pause. „In der lernfreien Zeit sollte man soziale Kontakte pflegen oder an die frische Luft gehen, aber keinesfalls fernsehen“, sagt die Bildungsforscherin. Studien zufolge würde der Blick ins TV-Gerät die Lernleistung reduzieren, da das Gehirn das Gelernte nicht verarbeiten könne. „Fernsehen bedeutet für das Gehirn keine Entspannung, sondern eine Überaktivierung“, sagt Zuber. Ob Social Media wie Facebook in die Kategorie soziale Kontakte fallen oder eher wie Fernsehen wirken, ist übrigens noch nicht klar, das wird erst untersucht. Würden die Pausen gut genutzt, könnte man so fünf bis sechs Stunden pro Tag effektiv lernen.

Effizienz durch Lerntechniken

Apropos Effizienz: Sie kann mit Lerntechniken deutlich gesteigert werden. Und zwar laut Zuber um bis zu 30 bis 40 Prozent, da man schneller lerne und weniger wiederholen müsse. Allerdings, warnt die Expertin, meist erst nach einem kleinen Zwischentief. „Es dauert etwa vier bis sechs Wochen, bis man die ausgewählte Lerntechnik erworben hat. In dieser Zeit geht die Lernleistung ein wenig zurück.“ Welche der Lerntechniken für den Einzelnen die richtige ist, könne auch im Rahmen einer Studienberatung bestimmt werden. Eine effektive sei etwa die Elaboration. Dabei gehe es darum, Beziehungen zwischen den einzelnen Stoffteilen herzustellen oder Bilder zu Lerninhalten zu finden. „Wenn Sie den Begriff Birne lernen wollen, beziehen Sie alle Elemente mit ein: die Farbe, das Gewicht, wo sie wächst und Ähnliches“, beschreibt Zuber diese Methodik.

Anwesenheit und mitlernen

Doch es gibt noch einige Wege, um sich das Leben zu erleichtern. So rät Oberlehner Studierenden, auf alle Fälle die Vorlesungen zu besuchen und von Anfang an mitzuschreiben und mitzulernen. Wichtig sei weiters die Integration in Lerngruppen oder Lernplattformen, könne man sich dort doch zum einen gegenseitig motivieren und zum anderen Nützliches erfahren. Etwa, ob Probeklausuren aufliegen. Ausreichend Schlaf, eine gesunde Ernährung und körperliche Fitness tragen übrigens ebenfalls dazu bei, den Lernerfolg zu steigern.

Unterstützung durch die Unis

Um Studierenden das Studierenlernen zu erleichtern, bieten die Universitäten entsprechende Unterstützungen in Form von Workshops, Einführungsveranstaltungen oder Studienberatungen an. Diese sind meist fach- oder studiengangspezifisch und werden entweder bereits vor dem Studium oder in der Einführungsphase im jeweiligen Studium angeboten. In diesem Zusammenhang hat Zuber auch einen Wunsch an die Schulen: „Man sollte bereits in der Volksschule mit Lernstrategien beginnen, spätestens aber beim Wechsel in die AHS oder Neue Mittelschule. In diesem Alter können sie am besten gefestigt werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2018)

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