„Das Zentrum der KI ist in Europa“

KI-Experte Sepp Hochreiter forscht mit seinen Studierenden auch zum Thema autonomes Fahren.
KI-Experte Sepp Hochreiter forscht mit seinen Studierenden auch zum Thema autonomes Fahren.(c) JKU
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Technologie. Ob Fashiontrends, autonomes Fahren oder Sprachassistenten wie Alexa, künstliche Intelligenz (KI) spielt eine immer größere Rolle – heimische Hochschulen spielen mit.

Die KI-Technologie und die Idee, aus Daten zu lernen, wird nicht so leicht wieder verschwinden“, sagt Sepp Hochreiter, Leiter des Instituts für Machine Learning der Johannes-Kepler-Universität (JKU). Schließlich funktioniere sie mittlerweile zu gut und sei in zu vielen Applikationen enthalten. Mit seiner Erfindung, dem LSTM-Netzwerk (für Long short-term memory), hat er die Grundlage für die großen Durchbrüche in der KI der vergangenen Jahre geschaffen. Sie wird für die Bild-, Sprach- und Texterkennung genutzt, ebenso wie für selbstfahrende Autos oder das Computerprogramm AlphaGo, das menschliche Gegenspieler beim Brettspiel „Go“ geschlagen hat.

Von Apple über Google bis hin zu Facebook und Amazon – viele große IT-Konzerne nutzen die Technologien des jüngst von der „Presse“ zum „Österreicher des Jahres“ gekürten Wissenschaftlers. Zu seinen aktuellen Forschungen zählt etwa die Medikamentenentwicklung. KI könne hier helfen, in einer frühen Phase vorherzusagen, ob später Nebenwirkungen auftreten oder die Wirksamkeit nicht hoch genug ist. In einem gemeinsamen Projekt mit Zalando wird die Idee verfolgt, Bilder und Texte in Fashion Blogs zu analysieren, um Trends auszumachen.

Fokus auf Industrie

An der JKU wird KI vor allem im Bachelor- und Masterstudium Bioinformatik, das Life Sciences und Computational Sciences vereint, behandelt. Ein eigenes Studium „Artificial Intelligence“ ist in Planung. Wie Hochreiter erklärt, soll es – anders als an der US-Westküste – in Richtung Anlagen- und Maschinenbau gehen und damit den Stärken des Standorts Österreich entsprechen. „Wir wollen damit den Unternehmen, von denen viele zu den weltweiten Marktführern in dem Bereich gehören, helfen“, sagt er. Österreich sei im Übrigen gerade das Zentrum der KI in Europa. Auch an der TU Wien fließt KI in diverse Studien ein. Eifrig geforscht wird ebenso. Gerade wurde etwa ein neuer Ansatz für die Programmierung neuronaler Netze entwickelt. Letztere sind von der Struktur des menschlichen Gehirns inspiriert und spielen im Machine Learning, einem Teilbereich der KI, eine wesentliche Rolle. Kurz erklärt: Systeme nutzen vielschichtige Netze von künstlichen Neuronen und können selbstständig nicht nur Strukturen erkennen und auswerten, sondern auch dazulernen.

Gemeinsam mit Mathias Lechner und anderen Kollegen hat Ramin Hasani vom Institut für Computer Engineering das Gehirn des Fadenwurms C am Computer simuliert und das Modell mit speziell entwickelten Lernalgorithmen angepasst. Obwohl das vom Wurm inspirierte Netzwerk nur über zwölf Neuronen verfügt, konnte man es darauf trainieren, ein Auto an einen vorherbestimmten Ort zu manövrieren. „Der Output des neuronalen Netzes, der in der Natur die Bewegung des Fadenwurms steuern würde, wird bei uns in das Lenken und Beschleunigen des Fahrzeugs umgesetzt“, erklärt Hasani. Nachsatz: „Wir beweisen damit, dass mit unserer Methode sehr einfache neuronale Netze komplizierte Aufgaben in einer physisch realen Umgebung lösen können.“

Daten als Grundlage

Dass gerade in den vergangenen Jahren große Fortschritte in der KI bzw. dem maschinellen Lernen gemacht wurden, hat einen guten Grund: die Verfügbarkeit von großen Datenmengen. Auch hier gibt es eine Reihe einschlägiger Ausbildungen, neu sind etwa Studiengängen in Kufstein und Krems sowie der Bachelorstudiengang Data Science and Business Analytics der FH St. Pölten, der Mitte September erstmals gestartet ist. Die Studiengangsleiterin Marlies Temper berichtet im Vorfeld von großem Interesse seitens der Bewerber. „Viele Unternehmen sammeln Daten und wissen aber nicht, was sie damit anfangen sollen“, sagt sie. Genau das würden die Studierenden lernen. Daten wären der Rohstoff der Zukunft schlechthin, der zur Bewältigung vielfältiger Herausforderungen genutzt werden könne – etwa in der Medizin, im Finanzbereich oder im Marketing. Da KI von den Daten, mit denen sie gefüttert wird, abhängig ist, gilt es, besonderes Augenmerk auf deren Qualität zu legen. „Ohne bereinigte Daten kann man kein neuronales Netz aufbauen“, sagt Temper.

Die Befürchtung vieler Menschen, dass künstliche Intelligenz eines Tages die Kontrolle übernehmen wird, teilt Hochreiter im Übrigen nicht. „Das ist eher etwas für Hollywood.“ Eine weitaus realere Gefahr sei eine „KI-Blase“ – sprich, wenn KI nur noch Informationen zulässt, die man haben möchte. Bereits jetzt werde KI auch dazu genutzt, öffentliche Meinungen zu manipulieren – etwa in Form von Chatbots in sozialen Medien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2018)

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