Uni Wien: „Kluft zwischen Ruf und Performance“

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Phil Baty, der Macher des weltweiten THE–Uni-Rankings, über seine Kritik am eigenen Ranking, die Grenzen von Ranglisten und die Probleme, die die Universität Wien dringend anpacken muss.

Die Presse: Im vergangenen Jahr haben Sie sehr offen über die Mängel Ihres Rankings gesprochen. Das war Wasser auf den Mühlen der Kritiker – haben Sie es je bereut?

Phil Baty: Nein, ich denke, dass es sehr wichtig ist, dass man mit solchen Dingen offen umgeht. Seit wir das Ranking im Jahr 2004 zum ersten Mal veröffentlicht haben, ist sein Einfluss stetig gewachsen. Und wenn ein Ranking bildungspolitische Entscheidungen oder die strategische Ausrichtung einer Universität beeinflusst, muss es solide sein. Wir fanden, dass die alte Methodik der Bedeutung des Rankings nicht gerecht wurde. Ich bin jetzt wirklich stolz auf das verbesserte Ranking. Aber man muss ehrlich sein, was die Grenzen betrifft. Die neuen Ranglisten sind eine gewaltige Verbesserung, aber sie sind immer noch relativ grob.

Kritiker bemängeln, dass Rankings viele der wichtigsten Aspekte von Universitäten nicht erfassen können.

Da stimme ich zu. Für manche der tollsten Dinge, die Universitäten leisten, gibt es keine Daten, die man weltweit vergleichen könnte. Wenn es darum geht, jemandes Zukunftschancen zu verbessern, in einem Studenten eine Idee zu entzünden oder um den Beitrag, den eine Uni für die Gesellschaft leistet. Rankings können das nicht widerspiegeln, aber was sie können, ist andere Dinge zu untersuchen, die für Universitäten, für Gesellschaften und für Studenten im Kern wichtig sind. Die Fähigkeit etwa, einflussreiche Forschung zu betreiben, ist in einer Wissensgesellschaft ausschlaggebend.

(c) DiePresse

Viele kritisieren, dass Forschung in den Rankings viel zu stark gewertet wird.

Wir untersuchen nur das eine Prozent der Top-Unis der Welt. Und wir denken, dass für eine Weltklasse-Uni die Fähigkeit, Forschung zu betreiben, die Innovation befeuert oder tradierte Denkmuster herausfordert, wesentlich ist. Deshalb messen wir ihr ein hohes Gewicht zu. Wir erkennen aber an, dass Unis viel mehr sind als nur das. Darum haben wir eine Kategorie für den Bereich Lehre eingeführt, die ein Drittel unserer Bewertung ausmacht.

Ein anderes Problem ist jenes der Diversität. Ist ein Vergleich von großen, öffentlichen Unis ohne Gebühren mit kleinen Elite-Unis überhaupt zulässig?

Das ist ein Thema, aber die 200 Universitäten, die wir in unsere Rangliste aufnehmen, haben einiges gemeinsam. Sie konkurrieren um die besten Wissenschafter und Studenten der Welt. Es gibt einen globalen Markt. Alle Unis müssen bestimmte Löhne zahlen, sie alle veröffentlichen Forschung international. Wir versuchen, Unis zu untersuchen, die dieselbe Mission haben, aber wir erkennen natürlich an, dass nationale Systeme manchen einen Vorteil verschaffen.

Viele bemängeln, dass der Ruf in die Bewertung einfließt. Sind das nicht bloße Vorurteile, die noch dazu von Rankings selbst beeinflusst werden?

Es stimmt, dass die Bewertung der Reputation immer völlig subjektiv ist. Um dem entgegenzutreten, haben wir eine sehr gut designte Umfrage. Nur ausgewählte Wissenschafter nehmen teil, die Fragen beziehen sich auf ein sehr enges Feld und bauen auf der Erfahrung der Befragten auf. Etwa: Wenn Sie einen sehr talentierten Studenten in Ihrer Disziplin hätten, welche Uni würden Sie ihm für die weitere Ausbildung empfehlen? Vergangenes Jahr hatten wir etwa 13.000 Antworten. Marke und Image sind in der globalen Konkurrenz entscheidend, darum beziehen wir sie mit ein. Während subjektive Kriterien im alten System rund die Hälfte der Bewertung ausmachten, ist es jetzt aber nur noch ein Drittel.

Die Uni Wien liegt im jüngsten Ranking auf Platz 195 – in dem Ranking, das nur den Ruf wertet, zwischen 90 und 100. Das zeigt doch, wie wenig der Ruf mit der Leistung zu tun haben muss.

Wir haben die Rangliste veröffentlicht, die nur die Reputation berücksichtigt, weil wir transparent und ehrlich sein wollen. Es stimmt, dass das zeigt, dass es eine Kluft gibt zwischen der Wahrnehmung der akademischen Community und dem, was objektive Kriterien zeigen. Aber das ist auch eine wichtige Botschaft für die Uni Wien.

Wie mies muss die tatsächliche Leistung sein, wenn ein um 100 Ränge schlechteres Ergebnis herauskommt?

Man muss berücksichtigen, dass die Kurve bei den ersten Rängen ziemlich steil ist, und dann rasch flacher wird. Zwischen den Plätzen 150 und 200 sind die Unterschiede nicht mehr so gewaltig. Aber die Uni Wien hat hier auf jeden Fall ein Problem. Sie hat eine unglaublich gute Reputation, jeder kennt sie. Aber es gibt eine Kluft zwischen dem Ruf und der tatsächlichen Performance. Das ist ein Thema, das die Uni Wien anpacken muss.

Nummer eins beim THE-Ranking ist seit Beginn Harvard, die reichste Uni der Welt. Ist der Erfolg da, wo das Geld ist?

Das Geld macht sehr viel aus. Der Stiftungsfonds von Harvard ist größer als das gesamte britische Forschungsbudget. Harvard ist extrem reich. Natürlich braucht man Geld, um Superstar-Forscher zu bekommen. Wenn jemand der führende Sozialwissenschafter der Welt ist, den jede Universität haben möchte, ist das wie auf einem Fußballtransfermarkt. Universitäten müssen sehr hohe Löhne zahlen, um die Besten zu bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2011)

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