Die Selbstzerfleischung der Studentenvertreter

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ÖH-Chefin Janine Wulz muss nach dem Finanzskandal im Café Rosa um ihren Job fürchten. Doch mehr noch: Die aggressiv geführte Debatte um das Studi-Beisl beschädigt die gesamte ÖH. Eine kritische Betrachtung.

Ein Sprungbrett für die Parteipolitik? So will heutzutage kaum ein Studentenvertreter sein Engagement mehr verstanden wissen. Und dennoch, eines ist den ÖH-Funktionären in den vergangenen Wochen vortrefflich gelungen: Mit einem Finanzskandal und der darauf folgenden medial zur Schau getragenen Selbstzerfleischung fügen sie sich perfekt ins vorherrschende politische Sittenbild. Ausgerechnet die Vorsitzende der linken, oft so moralinsauren ÖH-Führung, ist maßgeblich in das Debakel verstrickt. Ihren Rücktritt hat Janine Wulz nie angeboten. Und muss nun fürchten, bei der am Dienstag stattfindenden Sondersitzung der ÖH von den Studentenvertretern abgewählt zu werden.

Den Steilpass dafür dürfte die ÖH der Uni Wien gegeben haben. Und zwar mit der Gründung des Cafés Rosa. Von den Oppositionsfraktionen wurde dieses von Beginn an kritisiert, von der Öffentlichkeit belächelt. Dafür sorgten nicht zuletzt die Grundsätze – basisdemokratisch, feministisch, antisexistisch, progressiv, antidiskriminierend, emanzipatorisch, antirassistisch, ökologisch-nachhaltig, antifaschistisch, antiklerikal, antinationalistisch, antiheteronormativ, antipatriarchal, antikapitalistisch und solidarisch –, denen sich das Beisl verschrieb. Eine Idee der linken ÖH-Exekutive.

Nicht einmal ein Jahr später weiß man, die Idee war keine gute. Das Café in der Währinger Straße im neunten Wiener Gemeindebezirk ist fast in die Insolvenz geschlittert. Und das, obwohl in das Café eine Menge investiert wurde. Rund 443.000 Euro an ÖH-Beiträgen flossen in Umbau und laufenden Betrieb. Wie viel davon bei einem etwaigen Verkauf des Lokals gerettet werden könnte, ist ungewiss. Seit März ist man auf der Suche nach einem neuen Pächter.

Ein beträchtlicher Imageschaden

Fest steht: Nicht nur finanziell ist das Lokal ein Reinfall. Auch der Imageschaden ist beträchtlich. Und zwar nicht nur für die ÖH der Uni Wien, sondern auch für die Bundesvertretung. Letztere schaffte es nicht, sich vom Skandal zu distanzieren. Dabei haben Bundes- und Universitätsvertretung nur wenig miteinander zu tun. Mit einer Ausnahme: Janine Wulz. Bevor sie für die Grünen und Alternativen StudentInnen (Gras) bei der Wahl im Vorjahr auf Bundesebene kandidierte, war sie nicht nur Studentenvertreterin an der Uni Wien. Sie war während der Planungsphase des Cafés Rosa sogar Wirtschaftsreferentin. Und mehr noch: Bis Anfang dieses Monats war sie als Kassierin des Vereins tätig, den die ÖH der Uni Wien gegründet hatte, um das Studi-Beisl (ohne die ansonsten nötige Zustimmung des Wissenschaftsministers) betreiben zu können.

Doch was tat die sonst so wortgewaltige Wulz, als das Scheitern des Cafés Rosa bekannt wurde? Sie leugnete einfach ihre Tätigkeit als Kassierin. Erst als der Druck zu groß wurde, kam das Geständnis. Aus heutiger Sicht wohl ihr verhängnisvollster Fehler. Das sieht man selbst in der Bundesvertretung so. Mehr Ehrlichkeit und eine offensivere Kommunikation hätten in diesem Zusammenhang wahrlich helfen können, gesteht man dort mittlerweile ein.

Die Gefahr des Pauschalurteils

Wulz stellt mit ihrer Vogel-Strauß-Taktik auch die Koalition in der ÖH-Bundesvertretung auf die Probe. Schon bisher war die Abstimmung zwischen den vier beteiligten Fraktionen – der Gras, dem roten VSStÖ, den Fachschaftslisten und der FH-Fraktion „Fest“ – nicht immer einfach. Durch die Negativschlagzeilen mussten die anderen Fraktionen nun auch noch um ihren Ruf fürchten. Auch die inhaltliche Arbeit der ÖH – etwa das „Forum Hochschule“ – gerät ins Hintertreffen. Es folgten Krisensitzungen, Ausstiegsszenarien wurden besprochen, auch eine Rücktrittsforderung gegen Wulz stand im Raum. Allein: Einigen konnte man sich auf ein gemeinsames Vorgehen bisher nicht.

Dabei ist die Befürchtung der anderen Fraktionen, mit den Ungereimtheiten identifiziert zu werden, keine unberechtigte. Vor allem die Fraktionen im linken Spektrum sind für die breite Öffentlichkeit in ihrer Positionierung kaum zu unterscheiden. Sie werden gemeinhin schlicht als „linke Studentenvertreter“ wahrgenommen. Dem erst im Vorjahr wieder erstarkten VSStÖ könnte das zum Verhängnis werden.

Doch mehr noch: Auch die konservativen und rechten Oppositionsfraktionen könnten Schaden nehmen. Immerhin ist das getroffene Urteil über die Studentenvertreter oft ein sehr pauschales. So ist auch das „Negative Campaigning“, dass die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG), der freiheitliche RFS und die Jungen Liberalen derzeit mit viel Liebe zum Detail betreiben, ein zweischneidiges Schwert. Seit dem ersten Bekanntwerden finanzieller Schwierigkeiten des Cafés Rosa sind vor allem AG und RFS in die Rolle des Anklägers geschlüpft. In der Sache ein richtiger Schritt; entspricht das doch ihrer Kontrollaufgabe, die sie als Opposition haben. Dennoch: Die von der AG gestartete Bürgerinitiative, durch die ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zum Café Rosa eingeleitet werden soll, ist ebenso prädestiniert, die gesamte ÖH in Misskredit zu bringen, wie die vom RFS eingebrachte Anzeige wegen des Verdachts der Untreue. Etwas mehr Fingerspitzengefühl wäre angebracht.

Gefährliches Wahlkampfthema

Dass AG und RFS dieses nicht walten lassen, verwundert dennoch nicht. Der Drang zur Selbstzerstörung hat in der ÖH Tradition. Klar ist, dass das Café Rosa bei der ÖH-Wahl 2013 beherrschendes Thema sein wird. Die AG wird hoffen, auf Kosten der Linken, die eine Koalition mit ihr ausschließen, Stimmen zu gewinnen. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Negative Auswirkungen auf die ohnehin katastrophal niedrige Wahlbeteiligung sind jedoch programmiert.

Morgen, Dienstag, wird sich jedenfalls entscheiden, ob das Studierendenparlament Janine Wulz das Vertrauen schenkt. Als Gegenkandidatin hat die AG ausgerechnet die derzeitige Vizechefin Angelika Gruber (VSStÖ) nominiert. Ein Wechsel gilt als unwahrscheinlich. Heilsam wäre er dennoch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2012)

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