Am Tag nach den Protesten an der Uni Wien gibt sich das Rektorat gesprächsbereit. An der Situation ändert das vorerst nichts. Der Bachelor geht, die finanziellen Probleme bleiben.
Wien. Am Tag nach der Besetzung des Audimax der Universität Wien wirkt das Hauptgebäude fast schon gespenstisch: Nur vereinzelt sind auf den Gängen Mitarbeiter zu sehen, den wenigen Studierenden, die vor dem Eingang warten, wird der Eintritt verwehrt. Das Hauptgebäude ist am Freitag und Samstag geschlossen. Alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen an diesen beiden Tagen sind abgesagt. Einzige Ausnahme: eine große Prüfung der Studieneingangsphase, für die ein Ersatzsaal gefunden werden muss.
Eine Phase der „Abkühlung und des Nachdenkens“ sei notwendig, sagt Rektor Heinz Engl in einer Pressekonferenz am Freitag – nachdem rund 300 Studenten am Nachmittag des Vortags den größten Hörsaal der Uni für mehrere Stunden besetzt hielten. Sie protestierten gegen die Abschaffung des Bachelorstudiums der Internationalen Entwicklung – aber auch gegen Studiengebühren und die Studieneingangsphase.
Das Rektorat reagierte schnell und ließ die Eingänge durch Securitys und Polizei sperren. Nur vereinzelt schafften es einige, durch Kellerräume und Fenster hereinzukommen. Dann das Ultimatum des Rektors: Ist der Hörsaal bis 20 Uhr wieder frei, werde es Gespräche geben. Für die Mehrheit der Studenten war das kein Thema: „Die verarschen uns“, und: „Gebt euch nicht solchen Illusionen hin“. Sie ließen die Frist verstreichen.
In einem Brief antworteten sie: Man gehe nur, wenn der Bachelor der Internationalen Entwicklung nicht abgeschafft wird. Einer der Besetzer, Rafael, hoffte zu diesem Zeitpunkt trotzdem schon, nicht im Hörsaal übernachten zu müssen. „Das wird unkomfortabel, ich habe keinen Schlafsack mit. Aber wir werden es wohl oder übel machen müssen“, sagt er. Und auch Jakob würde „schon über Nacht bleiben. Ich hoffe, dass auch die anderen durchhalten. Denn wir protestieren schon seit zehn Uhr morgens.“ Am Ende konnte keiner im Audimax übernachten: Kurz vor 22 Uhr räumte die Polizei den Saal. „Wir wollten freiwillig gehen, aber sie haben uns nicht rausgelassen“, sagt eine Besetzerin.
Probleme „betreffen alle“
Engl gab sich am Freitag dennoch verständnisvoll für die Anliegen der Studenten: „Die finanziellen Probleme betreffen uns alle.“ An der Einführung der Studiengebühren führe zwar kein Weg vorbei, Engl wolle sich bei zwei Gesprächsrunden mit „allen Interessierten“ aber bemühen, die Strategie für die Verhandlungen mit dem Uni-Ministerium zu erläutern. Von dieser Seite käme „großer Druck“ zur Einführung von Gebühren. Druck, den Engl als ungerechtfertigt sieht: Es sei Aufgabe der Politik, für rechtssichere Rahmenbedingungen zu sorgen – statt die Unis zur autonomen Einführung zu drängen. Minister Karlheinz Töchterle (ÖVP) spielte den Ball zurück an die Uni: Dafür sei der Protest eine Sache, die uni-intern diskutiert werden müsse. Zumindest in einem Punkt dürften die Besetzer recht behalten: Ändern wird sich trotz der Gespräche nicht viel. Der Bachelor geht, die finanziellen Probleme bleiben.
Auf einen Blick
Am Donnerstag protestierten Studenten gegen die Entscheidung des Rektorats, das Bachelorstudium Internationale Entwicklung abzuschaffen. Sie besetzten zuerst das Rektorat, dann das Audimax. Um 22.00 Uhr wurde es von der Polizei geräumt. Ab dem Wintersemester soll nur mehr der Masterstudiengang angeboten werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2012)