Zwischen Recht und Wirtschaft

CAMPUS DER WIRTSCHAFTSUNIVERSITÄT WIEN
CAMPUS DER WIRTSCHAFTSUNIVERSITÄT WIENAPA/HELMUT FOHRINGER
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Die Wirtschaft hält für Juristen manch interessante Nische bereit. Nicht immer braucht es dafür ein ganzes Studium. Auch etliche Kurzprogramme bieten fundiertes Spezialwissen.

Das Insolvenzrecht ist einer der Bereiche, die zwar immer wichtiger werden, im klassischen Jus- oder Wirtschaftsstudium aber nur überblicksmäßig gelehrt werden. Darauf reagiert die WU Executive Academy mit dem Zertifikatskurs ExpertIn für Restrukturierung und Insolvenzrecht. Dieser richtet sich sowohl an Rechtsanwälte und Personen in juristischen Berufen als auch an Bankmitarbeiter. In fünf eineinhalbtägigen Modulen werden Themen wie Kreditfinanzierung in der Krise, außergerichtliche Sanierung, Bilanzierung, Haftungsfragen, strafrechtliche Aspekte und betriebswirtschaftliche Maßnahmen behandelt.

„Vor 20 Jahren hat ein Insolvenzverfahren im Wesentlichen darin bestanden, dass das Vermögen des Schuldners verkauft wird“, sagt Georg Kodek, wissenschaftlicher Leiter des Programms. Heute gehe es darum, verschwundenem Vermögen und anderen Vorgängen nachzuspüren und anfechtbare Rechtshandlungen anzufechten. Auch bei der Verwertung seien die Anforderungen gestiegen: „Es geht auch um Immaterialgüterrechte wie Patente, die Abwicklung von Verträgen und vieles mehr.“

Kodek legt Wert darauf, in dem Lehrgang den Dialog zwischen Teilnehmern und Vortragenden zu fördern. „Dadurch wird nicht nur das Verständnis für die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geschärft, die Teilnehmer erhalten Empfehlungen von erfahrenen Profis und können besser mit komplexen Fällen umgehen.“

Sehr dynamisch entwickelt sich auch der Bereich des Vergaberechts, das den Beschaffungsprozess für öffentliche Aufträge regelt. Die sechstägige Vergaberechts-Akademie der ARS Akademie für Recht, Steuern & Wirtschaft bildet den Ablauf von Vergabeverfahren nach und geht dabei auf aktuelle gesetzliche Änderungen ein. „Das österreichische Vergaberecht ist massiv durch EU-Recht geprägt“, weiß ARS-Vergaberechtsreferent Markus Haslinger. „Der österreichische Gesetzgeber musste immer wieder auf gemeinschaftsrechtliche Vorgaben mit möglichst präziser Umsetzung reagieren.“ Derzeit sei etwa ein umfassendes EU-Richtlinienpaket von 2014 umzusetzen, Österreich sei dabei stark in Verzug. „Alle warten schon fast sehnsüchtig auf das Vergaberechtsreformgesetz 2017.“ Dies bewirke Rechtsunsicherheit, da Teile der nicht fristgerecht umgesetzten EU-Richtlinien unmittelbar anwendbar sein dürften. Zudem erzwinge die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs immer wieder Korrekturen der Rechtslage und der Vergabepraxis. So sei durch eine EuGH-Entscheidung seinerzeit in der deutschen Stadt Halle von einem Tag auf den anderen die rege „Quasi-inhouse-Vergabepraxis“ bei Public Private Partnerships gekippt worden.

Interesse an Vergaberecht steigt

Angesichts der komplexeren Rechtslage und der strikten EuGH-Entscheidungen haben aus Haslingers Sicht sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer hohen Informationsbedarf. Rechtsverletzungen kämen sie oft teuer zu stehen. Die Vergaberechts-Akademie richtet sich an beide Seiten. Haslinger hält an der TU Wien Vorlesungen zur öffentlichen Auftragsvergabe für Technikstudierende. „Auch aus dieser Perspektive kann ich bestätigen, dass die Sensibilisierung für dieses Rechtsgebiet und das Interesse am Vergaberecht kontinuierlich zunehmen.“

Ein neues „Wissen à la carte“-Format am Salzburger Institut für Management (IfM) ermöglicht Juristen, die an der Schnittstelle zur Wirtschaft tätig sind, aus den zwei- bis dreitägigen Seminaren der einzelnen Lehrgänge des Instituts einen sechs- bis zwölftägigen Lehrgang zusammenzustellen. Die kombinierbaren Module reichen von Grundlagen der Betriebswirtschaft über Unternehmensführung, Finanzierung und Controlling, Marketing und Verkauf bis hin zu Führung und Personal Skills. „Der Hauptnutzen für die Teilnehmer liegt darin, dass man selbst bestimmt, wo man sein Wissen erweitert und somit seine beruflichen Chancen stärkt“, sagt IfM-Geschäftsführer Wolfgang Reiger. „Die Referenten am IfM verfügen über einen unternehmerischen Hintergrund und wissenschaftlich fundiertes Wissen, sodass das Erlernte auch direkt in den Berufsalltag transferiert werden kann.“ Die Lehrgänge können zudem auf das MBA-Programm des Instituts angerechnet werden.

Infos:www.ars.at, www.ifm.ac.at, www.wu.ac.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2017)

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